Es war eigentlich nur eine Kleinigkeit, und trotzdem wird man teilweise wegen solchen Bagatellen wirklich böse. Warum ist das so? Und was kann man dagegen machen? Hier erfahren Sie es!
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
“Klirrrrrrrr!” Eines Ihrer Kinder stößt beim Frühstück ein Glas um. “Waaaas soll das?”, schreien Sie ungefiltert. Im Nachhinein denken Sie eigentlich, dass es nur eine Kleinigkeit war. Aber in der Situation konnten Sie nicht klar denken. Von 0 auf 100 sind Sie in rasender Wut. Sie rasten aus. Kennen Sie das von sich? Sind Sie ständig gereizt und aggressiv wegen vermeintlicher Kleinigkeiten? Brodelt eine innere Wut in Ihnen? Solche Bagatellen lösen bei Ihnen nicht nur Ärger, sondern einen Wutausbruch aus? Genau damit wollen wir uns in diesem Artikel beschäftigen. Vielleicht fragen Sie sich, wann genau man von Wut über Kleinigkeiten spricht? Oder welche Ursachen dahinter stecken? Wichtig zu wissen ist, dass Sie mit diesem Thema nicht alleine sind.
Hinter Emotionen wie Wut stehen oft Bedürfnisse (siehe hierzu auch unseren Artikel: "Welche Bedürfnisse stehen hinter Wut") oder Ziele, die aus einem bestimmten Grund nicht erfüllt oder erreicht werden können (Kashdan et al., 2015). Von Wut über Kleinigkeiten spricht man, wenn diese Bedürfnisse oder Ziele nicht offensichtlich sind. Erinnern wir uns an das Eingangsbeispiel. Wenn ein Kind ein Glas umwirft, ist das ein normales, altersgemäßes Verhalten. Die Eltern haben vielleicht den Wunsch nach Ordnung und Sauberkeit. Dieses Ziel ist jedoch erreichbar und realisierbar - indem man die Scherben wegräumt. Wahrscheinlicher ist eine übermäßig wütende Reaktion in dieser Situation, weil andere Bedürfnisse und Ziele bereits vorher nicht erfüllt waren. Es könnte sich zum Beispiel eine innere Wut aufgestaut haben. Stellen Sie sich ein Fass vor, das bis zum Rand mit Wasser gefüllt ist (das Wasser steht in diesem Beispiel für die Wut). Eine Kleinigkeit (z.B. das umgeschmissene Glas) bringt das Fass zum Überlaufen. Das “Überlaufen” kann sich dann z.B. in einem Wutausbruch äußern. Solche Zustände werden im Volksmund manchmal auch als Tobsuchtsanfall bezeichnet. Dieser geht dann häufig mit hoher Erregung (Giesbrecht et al., 2010), lautem Schreien (Spring & Carlson, 2021) und reaktivem, unüberlegtem Handeln einher.
Es ist auch sehr wichtig, darauf zu achten, wenn es sich nicht um Wut wegen Kleinigkeiten handelt. Dies ist z.B. bei einem Trauma oder bei einer Depression der Fall! Ein Trauma kann oft mit Wut einhergehen. Dabei spielen unter anderem kognitive Prozesse eine Rolle. Häufig kommt es zu einer negativen Selbstbewertung (Germain et al., 2016). Diese negativen Gedanken können bei der Person Wut auslösen (Ehlers & Clark, 2000) und sollten sehr ernst genommen werden. Auch Depressionen können mit Wut einhergehen. Ein niedriges Selbstwertgefühl bei Depressionen konnte in Studien aggressives Verhalten vorhersagen (Capaldi & Crosby, 2006).
Nun haben wir erfahren, wann man von Wut bei Kleinigkeiten spricht, und wann nicht. Aber was sind nun die Ursachen für Ausraster bei Kleinigkeiten?
Bei Kindern kann es verschiedene Ursachen geben, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie bei geringfügigen Anlässen ausrasten. Wichtige Faktoren sind die Erziehung und die Art und Weise, wie Kinder aufwachsen. Vernachlässigung in der Kindheit erhöht das Risiko für antisoziales Verhalten (Raine, 2002). Eingeschränkte exekutive Funktionen sind ebenfalls ein Risikofaktor für Aggression. Exekutive Funktionen sind wichtig für die Planung von Handlungen, Absichten und Zielen (Gwiggner, 2004). Ein weiterer wichtiger Punkt, der zu Wutausbrüchen führen kann, ist das Erleben von Ablehnung durch die Peergroup. Dies kann zum Beispiel bei Hochbegabten häufig zu erhöhter Aggressivität führen, da sie das Gefühl haben, sich grundlegend von anderen zu unterscheiden.
Das Aggressionsrisiko im Erwachsenenalter ist grundsätzlich erhöht, wenn bereits in der Kindheit erhöhte Aggressivität beobachtet wurde (Huesmann, 2017; Kokko et al., 2009). Dies kann verschiedene Ursachen haben. Verminderte exekutive Funktionen können weiterhin eine Rolle spielen (Raine, 2002). Es konnten aber auch Zusammenhänge zwischen dem Aggressionsniveau und der Herzfrequenzvariabilität gefunden werden. Diese war bei aggressiven Erwachsenen höher (Raine, 2002). Wenn Mütter während der Schwangerschaft rauchen, kann dies ebenfalls eine Ursache für erhöhte Aggressivität im Erwachsenenalter sein. Viele hochsensible Erwachsene erleben häufiger Wutausbrüche, was ebenfalls eine Ursache sein kann. Es ist wichtig zu wissen, dass es viele Ursachen für Wutausbrüche geben kann, aber nicht alle auf Sie zutreffen müssen. Neben der Suche nach den Ursachen von Wut ist es auch wichtig, geeignete Wege zu finden, um mit Wut umzugehen. Darauf werfen wir im nächsten Abschnitt einen genaueren Blick.
Es gibt verschiedene Methoden, mit denen Sie lernen können, ihre Wut zu kontrollieren. So kann es gelingen, dass es gar nicht erst zu einem Wutausbruch kommt. Dabei ist es oft hilfreich, zunächst für sich selbst zu verstehen, woher die Wut kommt. Ist es unterdrückte Wut? Sind Sie passiv aggressiv? Wenn Sie das für sich herausgefunden haben, haben Sie mehr Klarheit und können in emotionsgeladenen Situationen kontrollierter reagieren. Um einen kontrollierten Umgang zu trainieren, können Atemübungen, positive Affirmationen oder Humor hilfreich sein.
Um ein Mittel gegen das Ausrasten bei Kleinigkeiten zu finden, kann es hilfreich sein, Ärger und Wut loszulassen. Wie kann das gelingen? Versuchen Sie zunächst, bei aufkommendem Ärger Ihre Umgebung bewusst wahrzunehmen. Fragen Sie sich: Ist der Ärger jetzt gerechtfertigt? Reflektieren Sie Ihre Gefühle, auch im Nachhinein, um sie besser zu verstehen. Das Gespräch mit vertrauten Menschen über die eigenen Gefühle kann zusätzlich befreiend wirken. Und nicht zuletzt ist es wichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Darauf gehen wir im nächsten Abschnitt nochmal genauer ein.
Wenn es darum geht, einen Umgang mit dem Ausrasten bei Kleinigkeiten zu finden, müssen Sie nicht auf sich allein gestellt sein. Sie können professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und sich von Experten auf diesem Gebiet begleiten lassen. Dabei kann die Wut-Therapie eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung von Wutausbrüchen spielen, insbesondere wenn diese auf scheinbar geringfügige Auslöser zurückzuführen sind. In der Therapie können Betroffene lernen, ihre Wut zu erkennen, zu verstehen und konstruktiv damit umzugehen.
Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen können verschiedene Ursachen zu Wutausbrüchen wegen Kleinigkeiten führen, darunter eingeschränkte exekutive Funktionen und Ablehnung durch die Peergroup. Mit den richtigen Mitteln ist es jedoch möglich, nicht mehr wegen Kleinigkeiten wütend zu werden. Es kann hilfreich sein, die Wut zu kontrollieren und loszulassen, sowie professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Capaldi, D. M., & Crosby, L. (1997). Observed and reported psychological and physical aggression in young, at‐risk couples. Social Development, 6(2), 184-206. https://doi.org/10.1111/j.1467-9507.1997.tb00101.x.
Ehlers, A., & Clark, D. M. (2000). A cognitive model of posttraumatic stress disorder. Behaviour research and therapy, 38(4), 319-345. https://doi.org/10.1016/S0005-7967(99)00123-0.
Germain, C. L., Kangas, M., Taylor, A., & Forbes, D. (2016). The role of trauma‐related cognitive processes in the relationship between combat‐PTSD symptom severity and anger expression and control. Australian Journal of Psychology, 68(2), 73-81. https://doi.org/10.1111/ajpy.12097.
Giesbrecht, G. F., Miller, M. R., & Müller, U. (2010). The anger–distress model of temper tantrums: associations with emotional reactivity and emotional competence. Infant and child development, 19(5), 478-497. https://doi.org/10.1002/icd.677.
Gwiggner, N. (2004). Die exekutiven Funktionen im Jugendalter. LMU. Abgerufen am 2. Februar 2024, von https://edoc.ub.uni-muenchen.de/2958/1/Gwiggner_Nadja.pdf.
Huesmann, L. R., & Eron, L. D. (2017). Childhood aggression and adult criminality. In Facts, frameworks, and forecasts (pp. 137-156). Routledge.
Kashdan, T.B., Goodman, F.R., Mallard, T.T. and DeWall, C.N. (2016). What Triggers Anger in Everyday Life? Links to the Intensity, Control, and Regulation of These Emotions, and Personality Traits. J Pers, 84, 737-749. https://doi.org/10.1111/jopy.12214.
Kokko, K., Pulkkinen, L., Huesmann, L. R., Dubow, E. F., & Boxer, P. (2009). Intensity of aggression in childhood as a predictor of different forms of adult aggression: A two‐country (Finland and the United States) analysis. Journal of Research on Adolescence, 19(1), 9-34. https://doi.org/10.1111/j.1532-7795.2009.00579.x.
Raine, A. (2002). Biosocial Studies of Antisocial and Violent Behavior in Children and Adults, A Review. J Abnorm Child Psychol, 30, 311–326. https://doi.org/10.1023/A:1015754122318.
Spring, L., & Carlson, G. A. (2021). The phenomenology of outbursts. Child and Adolescent Psychiatric Clinics, 30(2), 307-319. https://doi.org/10.1016/j.chc.2020.10.003.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.