Wutausbrüche bei Hochbegabten sind keine Seltenheit – auch nicht bei Erwachsenen. Was dahintersteckt und was man dagegen tun kann, erfahren Sie hier.
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Stellen Sie sich vor, Sie sind eine hochbegabte Person, die gerade eine steile Karriere in der Technologiebranche hinlegt. Es gibt jedoch einen Umstand, der Sie immer wieder zurückhält. Obwohl Ihre Intelligenz und Ihre Fähigkeiten bewundernswert sind, haben Sie immer wieder mit Wutausbrüchen zu kämpfen, die eine Herausforderung für Ihren Alltag darstellen.
Als Beispiel möchten wir Ihnen folgende Situation schildern: In einer Besprechung im Unternehmen schlagen Sie eine innovative Lösung für ein Problem vor. Der Vorschlag stößt jedoch auf Widerstand. Sie sind sofort frustriert. Ihr Wissen und Ihre Ideen sind oft weit überlegen, aber Sie müssen sich immer wieder mit langsameren Kollegen auseinandersetzen. Außerdem merken Sie, dass Ihre Ideen nicht angemessen gewürdigt werden. Ihre Frustration wächst und plötzlich verlieren Sie die Kontrolle. Sie werden wirklich wütend und rasten aus.
Hochbegabte neigen nicht selten zu unkontrollierten Wutausbrüchen (Wellisch & Brown, 2013). Dies muss nicht nur Kinder betreffen. Auch ein Wutanfall bei Erwachsenen ist möglich.
Warum Hochbegabte zum Teil anders fühlen, kann darauf zurückgeführt werden, dass ihre Begabung häufig mit bestimmten Eigenschaften und Merkmalen einhergeht. Bei Erwachsenen fand Lobecky (1986) z.B. folgende Merkmale:
Roeper (1991) hat hier weitere Merkmale ergänzt:
Wie Sie sehen, weisen hochbegabte Erwachsene eine Reihe von Merkmalen auf, die ihre Gefühlswelt betreffen. Von diesen Merkmalen wurden nur einige empirisch untersucht, darunter emotionale Sensitivität, Intensität und Wahrnehmung (Rinn & Bishop, 2015). Im Folgenden wird auf diese näher eingegangen.
In einer Studie wurde die intellektuelle Übererregbarkeit im Zusammenhang mit Hochbegabung untersucht. Übererregbarkeit bedeutet eine erhöhte physiologische Erfahrung von Sinnesreizen. Dies ist auf eine erhöhte Empfindlichkeit der Nervenzellen zurückzuführen (Mendaglio & Tillier, 2006). Intellektuelle Übererregbarkeit ist das Streben eines Individuums nach Wissen und Wahrheit durch Hinterfragen, Entdecken und Analysieren. Die Studie konnte einen Unterschied zwischen Hochbegabten und durchschnittlich Intelligenten in Bezug auf den Faktor der intellektuellen Übererregbarkeit feststellen. Hochbegabte zeigten dabei eine höhere intellektuelle Übererregbarkeit (Wirthwein et al., 2011). Diese Ergebnisse werden jedoch kontrovers diskutiert, da die theoretische Herleitung und Messung des Konstrukts der intellektuellen Übererregbarkeit Lücken aufweist (Rinn & Bishop, 2015).
In diesem Abschnitt geht es um die Wahrnehmung von Hochbegabten. Hochbegabte nehmen sich oft als “anders” wahr (Stålnacke & Smedler, 2011). Einige nehmen dabei ihre Hochbegabung als positive Kraft wahr, die z.B. ihr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein stärkt und als motivierender Faktor wirkt (Perrone et al., 2007). Im Gegensatz dazu berichten nur wenige Hochbegabte von negativen Auswirkungen auf ihr Leben, wie z.B. zu viel Druck und Scham. Hochbegabte sagen tendenziell von sich selbst, dass sie mehr Motivation haben und kognitiv vielseitiger sind. Sie geben auch an, ein geringeres Bedürfnis nach Anerkennung zu haben (Lewis et al., 1992).
Hochbegabte Menschen erleben häufig zwischenmenschliche Schwierigkeiten (Kulper et al., 2015), wie z.B. zerbrochene Freundschaften (Deffenbacher et al., 1996), Schwierigkeiten am Arbeitsplatz (Bedi et al., 2013), aber auch negative gesundheitliche Folgen. Dazu können Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Schlaganfälle gehören (McCloskey et al., 2010). Dies gilt aber generell für Aggression und Wutausbrüche. In dieser Hinsicht unterscheiden sich Hochbegabte nicht von Normalbegabten. So zeigte eine Studie, dass Personen mit einem hohen IQ keine erhöhten emotionalen, sozialen oder Verhaltensprobleme aufweisen (Peyre et al., 2016).
Es kann sein, dass Hochbegabte ungelöste Konflikte mit den Eltern, der Peergruppe oder von der Arbeit mit sich herumtragen. Diese ungelösten Konflikte beziehen sich dann häufig auf das innere Erleben der Hochbegabung in diesen Beziehungen (Grobman, 2009).
Hochbegabung wird manchmal von Gefühlen der Scham und Verlegenheit begleitet. Diese Gefühle können beispielsweise in einer Phase entstanden sein, in der die hochbegabte Person noch auf der Suche nach einer Umgangsform mit ihrer Begabung war (Grobman, 2009). Ein wichtiger Teil der Therapie von Hochbegabten mit Wutausbrüchen ist daher die Auseinandersetzung mit diesen Gefühlen.
Grobman (2009) schlägt eine interaktive Kombination als effektive Therapie für Hochbegabte vor. Diese kann z.B. psychologisch fundiertes Mentoring, Coaching, Beratung und Techniken der Psychotherapie umfassen. Gerade wenn kein Krankheitswert im Sinne einer psychischen Störung vorliegt, kann ein Wut-Coaching sinnvoll sein. Ob ein Krankheitswert im Sinne einer psychischen Störung vorliegt, kann bei einem Psychotherapeuten, Psychiater oder Hausarzt abgeklärt werden.
Neben professioneller Hilfe gibt es auch Hausmittel, die gegen Wutausbrüche helfen können. Dazu gehören z.B. ausreichend Bewegung (Hassmén et al., 2000), Yoga (Hagen et al., 2021), Meditation (Dua & Swinden, 1992) und Entspannungsübungen (Nickel et al., 2005; Perciavalle et al., 2017). Im nachfolgenden verlinkten Artikel findet man weitere Hausmittel gegen Aggressionen.
Hochbegabte geben Bereiche an, in denen sie anders als andere empfinden. Dazu gehören eine veränderte emotionale Sensitivität und Intensität sowie eine veränderte Wahrnehmung. Neigt die hochbegabte Person nun vermehrt zu Wutausbrüchen, kann dies psychosoziale und gesundheitliche Konsequenzen haben. Es gibt jedoch Möglichkeiten für Hochbegabte, diese Probleme zu lösen. Dazu gehört die eigenen inneren Konflikte aufzulösen, Emotionen aufzuarbeiten, Wut Coaching oder auch bekanntere Hausmittel wie ausreichend Bewegung, Meditation oder Entspannungsübungen.
Bedi, A., Courcy, F., Paquet, M., & Harvey, S. (2013). Interpersonal aggression and burnout: The mediating role of psychological climate. Stress and Health, 29(5), 350-359. https://doi.org/10.1002/smi.2476.
Deffenbacher, J. L., Oetting, E. R., Lynch, R. S., & Morris, C. D. (1996). The expression of anger and its consequences. Behaviour Research and Therapy, 34(7), 575-590. https://doi.org/10.1016/0005-7967(96)00018-6.
Dua, J. K., & Swinden, M. L. (1992). Effectiveness of negative-thought-reduction, meditation, and placebo training treatment in reducing anger. Scandinavian Journal of Psychology, 33, 135-146. https://doi.org/10.1111/j.1467-9450.1992.tb00893.x.
Grobman, J. (2009). A Psychodynamic Psychotherapy Approach to the Emotional Problems of Exceptionally and Profoundly Gifted Adolescents and Adults: A Psychiatrist’s Experience. Journal for the Education of the Gifted, 33(1), 106–125. doi:10.1177/016235320903300105.
Hagen, I., Skjelstad, S. & Nayar, U. S. (2021). “I Just Find It Easier to Let Go of Anger”: Reflections on the Ways in Which Yoga Influences How Young People Manage Their Emotions. Frontiers in Psychology, 12. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.729588.
Hassmén, P., Koivula, N. & Uutela, A. (2000). Physical Exercise and Psychological Well-Being: A Population Study in Finland. Preventive Medicine, 30(1), 17–25. https://doi.org/10.1006/pmed.1999.0597.
Kulper, D. A., Kleiman, E. M., McCloskey, M. S., Berman, M. E., & Coccaro, E. F. (2015). The experience of aggressive outbursts in Intermittent Explosive Disorder. Psychiatry Research, 225(3), 710-715. https://doi.org/10.1016/j.psychres.2014.11.008.
Lewis, R. B., Kitano, M. K., & Lynch, E. W. (1992). Psychological intensities in gifted adults. Roeper Review, 15(1), 25-31. https://doi.org/10.1080/02783199209553452.
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McCloskey, M. S., Kleabir, K., Berman, M. E., Chen, E. Y., & Coccaro, E. F. (2010). Unhealthy aggression: Intermittent explosive disorder and adverse physical health outcomes. Health Psychology, 29(3), 324–332. https://doi.org/10.1037/a0019072.
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Perrone, K. M., Perrone, P. A., Ksiazak, T. M., Wright, S. L., & Jackson, Z. V. (2007). Self‐perception of gifts and talents among adults in a longitudinal study of academically talented high‐school graduates. Roeper Review, 29(4), 259-264.
Peyre, H., Ramus, F., Melchior, M., Forhan, A., Heude, B., Gauvrit, N., & EDEN Mother-Child Cohort Study Group. (2016). Emotional, behavioral and social difficulties among high-IQ children during the preschool period: Results of the EDEN mother–child cohort. Personality and Individual differences, 94, 366-371. https://doi.org/10.1016/j.paid.2016.02.014.
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Stålnacke, J., & Smedler, A.-C. (2011). Psychosocial experiences and adjustment among adult Swedes with superior general mental ability. Journal for the Education of the Gifted, 34(6), 900–918. https://doi.org/10.1177/0162353211424988.
Wellisch, M., & Brown, J. (2013). Many faces of a gifted personality: Characteristics along a complex gifted spectrum. Talent Development & Excellence, 5(2), 43-58.
Wirthwein, L., Becker, C. V., Loehr, E. M., & Rost, D. H. (2011). Overexcitabilities in gifted and non-gifted adults: Does sex matter?. High Ability Studies, 22(2), 145-153. https://doi.org/10.1080/13598139.2011.622944.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.