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Wut auf sich selbst: Das steckt dahinter

Stellen Sie sich eine Person vor, die seit Jahren die eigene Wut und Aggression unterdrückt. Es hat sich regelrecht eine innere Wut angesammelt. Die Person steht unter starker Spannung. Jeder Tag fühlt sich an wie ein Kampf gegen eine unsichtbare Last, die sich immer schwerer anfühlt. Kleine Provokationen, die früher kaum bemerkt wurden, lösen mittlerweile intensive Reaktionen aus. Die Reizbarkeit hat stark zugenommen. In Momenten der Stille überkommt Sie eine überwältigende Frustration, die oft in Selbstkritik umschlägt: "Warum kann ich nicht einfach in Ruhe gelassen bleiben?" Diese ständige Anspannung hat nicht nur ihr emotionales Wohlbefinden beeinträchtigt, sondern auch ihre Beziehungen und die eigene Lebensqualität erheblich belastet. Wenn es sich um einen grundsätzlichen Umgang mit Wut und Aggression handelt, kann die Unterdrückung dieser negativen Gefühle auch zu Depressionen führen (Busch, 2018). 

Doch was steckt hinter dieser gegen sich selbst gerichteten Wut? In diesem Artikel soll näher untersucht werden, inwiefern unerfüllte Bedürfnisse, hohe Erwartungen oder unbewältigte Verletzungen zu Wut auf sich selbst führen können. Das Umfeld kann dabei eine entscheidende Rolle spielen. Es entsteht eine Spirale, in der die Unterdrückung von Gefühlen sowohl das Selbstwertgefühl als auch die Konfliktfähigkeit beeinträchtigt. Ein erster Schritt, um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, ist die Auseinandersetzung mit dem Thema. Im Folgenden wollen wir uns näher damit beschäftigen, wie es dazu kommen kann, dass man auf sich selbst wütend ist. 

Haben Sie genug davon, dass die Wut Ihr Leben zerstört?
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Warum ist man auf sich selbst wütend?

Unterdrückte Wut

Eine mögliche Ursache für Wut auf sich selbst kann der Umgang der Bezugspersonen mit negativen Gefühlen sein. Wenn Eltern ihrem Kind beispielsweise verbieten, sich zu ärgern, wird diese natürliche Emotion unterdrückt (Sulz, 2017). Anstatt Wut als normale Reaktion zuzulassen, lernt das Kind, dass solche Gefühle unerwünscht sind. Diese frühkindliche Prägung führt oft dazu, dass die Betroffenen als Erwachsene Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen angemessen zu erkennen und auszudrücken. Die unterdrückte Wut verwandelt sich in Selbstvorwürfe und Frustration, da sie internalisiert wird (Nordström & Pape, 2010) und sich in einem ständigen Gefühl der Unzulänglichkeit äußert.

Primäre und sekundäre Emotion

In vielen Fällen entsteht Wut auf sich selbst durch ein komplexes Zusammenspiel von primären und sekundären Emotionen. Nehmen wir das Beispiel einer Schülerin, die in der Schule immer wieder gedemütigt wird. Ihre primäre Emotion ist Wut, die sie aufgrund der sozialen Erwartungen (Santiago-Menendez & Campbell, 2013) und der Verurteilung durch ihre Bezugspersonen unterdrückt. Stattdessen entwickelt sich eine sekundäre Emotion (Lammers, 2016) wie Traurigkeit. Diese emotionalen Muster führen dazu, dass sie im Erwachsenenalter bei Kritik oder Rückschlägen leichter in Selbstvorwürfe und Traurigkeit verfallen. Der eigentliche Ärger bleibt unerkannt und die unterdrückten Emotionen tragen zu einem negativen Selbstbild bei (Lammers & Berking, 2008). Dieses negative Selbstbild kann sich zu Wut auf sich selbst entwickeln.  Sie wird so zu einer bewussten Reaktion auf die nicht zugelassenen primären Emotionen, die es der Person nicht erlauben, ihre Bedürfnisse wirklich zu erkennen und zu artikulieren.

Abwehrmechanismus 

Psychodynamische Theorien gehen davon aus, dass das Ich Abwehrmechanismen gegen Triebwünsche einsetzt. Die Abwehr dient also der Angstabwehr. Dabei kann zwischen intrapsychischen und interpersonellen Abwehrmechanismen unterschieden werden. Die Wendung von Ärger/Aggression gegen das Selbst stellt eine interpersonelle Abwehr dar (Gumz & Hörz-Sagstetter, 2018).  Die interpersonelle Abwehr dient unter anderem der Bewältigung von Trennungsängsten. Es kann die Befürchtung bestehen, dass es zu übermäßiger Aggression kommt, wenn die Angst zugelassen werden würde (Bohleber, 2015). Dies kann zur Abwehr der Angst führen, indem die Wut gegen das Selbst gerichtet wird. 

Das Thema Wut & Aggressionen in den Medien
Medienberichte

Was kann man gegen Wut auf sich selbst machen?

Wut abbauen

Ein erster Schritt im Umgang mit Wut, die gegen sich selbst gerichtet wird, kann sein, diese abzubauen. Es gibt verschiedene Methoden, die dabei helfen können. So können Sport und Bewegung helfen, gelassener zu werden und einen Ausgleich zum Alltag zu finden (Hassmén et al., 2000). Oft kann der Abbau von Wut jedoch nur unterstützend wirken. Denn grundlegende Muster im Umgang mit dieser starken Emotion können nicht “nur” abgebaut werden. Wichtiger ist es, die Entstehung von Wut und Aggression zu verstehen, um langfristig einen gesunden Umgang mit Wut zu erreichen. 

Wut-Therapie

Bei Wut auf sich selbst kann eine Wut-Therapie helfen. Hier erhalten Sie hilfreiche Unterstützung, um die Ursachen Ihrer Wut und Aggression zu verstehen. Außerdem lernen Sie Strategien, um mit starker Wut umzugehen. Auch soziale Situationen, in denen es immer wieder zu Wutausbrüchen kommen kann, werden besprochen. Es wird trainiert, Konflikte konstruktiv zu lösen (Day et al., 2008). So kann langfristig ein gesunder Umgang mit Wut erreicht werden.    

Kognitive Verhaltenstherapie

Wenn die Wut gegen sich selbst ein gewisses Ausmaß erreicht, wie z. B. selbstverletzendes Verhalten oder andere Formen starker Aggression gegen sich selbst, sollten Sie nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im Notfall können Sie immer den Rettungsdienst unter der Nummer 112 anrufen. Im Rahmen einer Psychotherapie kann eine kognitive Verhaltenstherapie hilfreich sein. Die Wirksamkeit dieser Methode konnte in mehreren empirischen Studien nachgewiesen werden (Hofmann et al., 2012). Dabei werden die Ursprünge der Emotionen aufgedeckt und Werkzeuge zur Bewältigung erarbeitet. 

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie behandelt psychische Erkrankungen und basiert auf psychodynamischen Theorien. Auch für diese Methode konnte die Wirksamkeit in mehreren Studien nachgewiesen werden (Leichsenring et al., 2023). In den psychodynamischen Verfahren wird die Wut auf sich selbst als Abwehrmechanismus verstanden. Das Ich befindet sich in einem inneren Konflikt. Mit Hilfe der Wut auf sich selbst wird das Selbst in diesem Konflikt entlastet. Dadurch wird die Konfliktspannung reduziert. Im Rahmen dieser Therapie wird versucht, diese unbewussten Konflikte herauszuarbeiten. 

Fazit: Deshalb ist man auf sich selbst wütend und das kann man dagegen tun

Wut auf sich selbst kann verschiedene Ursachen haben, die oft aus unterdrückten Gefühlen, unerfüllten Bedürfnissen und hohen Erwartungen resultieren. Unterdrückte Wut kann zu Frustration und Selbstkritik führen, die die Lebensqualität und Beziehungen beeinträchtigen. Gründe für diese Wut sind oft frühkindliche Prägungen, in denen negative Gefühle von den Eltern nicht akzeptiert werden. Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, werden - je nach Schweregrad - Methoden wie Sport, Wut-Therapie, kognitive Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie empfohlen. Ziel ist es, die Ursachen der Wut zu erkennen und einen gesunden Umgang damit zu entwickeln.

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Über die Autoren
Katrin Hoster

Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.

Ferdinand Kirchhof

Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.

Kerstin Bickert

Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.

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