Erfahren Sie hier, was man unter dem Begriff der kognitiven Verhaltenstherapie versteht und wie diese bei Wut & Aggression helfen kann.
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Im hektischen Alltag mit zahlreichen Herausforderungen spielt der Umgang mit unseren Emotionen eine zentrale Rolle für unser Wohlbefinden. Insbesondere der Umgang mit Wut, einer kraftvollen und manchmal überwältigenden Emotion, stellt viele Menschen vor schwierige Situationen. Manchmal exponenziert sich diese Wut. Oder eine Person hat eine Impulskontrollstörung. In beiden Fällen kann es zu unkontrollierten Wutausbrüchen (häufig auch umgangssprachlich als cholerische Anfälle oder Tobsuchtsanfall bezeichnet) kommen. Doch was, wenn es einen Weg gäbe, die Art und Weise zu verändern, wie wir Wut wahrnehmen und darauf reagieren?
Hier kommt die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ins Spiel. Es ist eine Möglichkeit, um nicht nur die Wurzeln der Wut zu verstehen. Diese Therapieform bietet auch konkrete Werkzeuge, um die Wut zu bewältigen. In diesem Artikel werfen wir einen eingehenden Blick auf die Welt der kognitiven Verhaltenstherapie und entdecken, welche transformative Möglichkeiten sie bietet, um Menschen dabei zu unterstützen, ihre Wut auf gesunde und konstruktive Weise zu kanalisieren.
Zunächst möchten wir Ihnen anhand einer Geschichte verdeutlichen, was die kognitive Verhaltenstherapie ist. In “Die Geschichte mit dem Hammer” von Paul Watzlawicks (österreichischer Psychologe) Buch Anleitung zum Unglücklichsein, wird deutlich, wie unsere Gedanken unser Verhalten im Sinne der kognitiven Verhaltenstherapie beeinflussen können:
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar ihm den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er ihn nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen ihn. Und was? Er hat ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von ihm ein Werkzeug borgen wollte, er gäbe es ihm sofort. Und warum sein Nachbar nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen ausschlagen? Leute wie der Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet der Nachbar sich noch ein, er sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s ihm aber wirklich. Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er „Guten Morgen“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“
Was hat diese Geschichte nun mit der kognitiven Verhaltenstherapie zu tun? In der Anwendung der kognitiven Verhaltenstherapie werden - kurz gesagt - Techniken der kognitiven Therapie verwendet, bei der selbstabwertende Gedankenmuster (z.B. die Gedankenverkettung des Mannes) verändert werden und Verhaltenstherapie, bei der direkt beobachtbares Verhalten angepasst werden soll (Wittchen & Hoyer, 2011). Grundsätzlich wird bei der kognitiven Verhaltenstherapie davon ausgegangen, dass psychische Störungen entstehen, wenn eine fehlerhafte Wahrnehmung von Situationen, Schlussfolgerungen und inadäquaten Problemlösungen stattfindet. Gedanken, Gefühle und Handlungen beeinflussen sich dabei gegenseitig. Wenn man z.B. wütend ist (Gefühl), funktioniert das Denken nicht mehr richtig (“man sieht rot”). Das Gefühl bekommt in so einem Moment vielleicht ganz viel Raum, das Denken bekommt hingegen gar keinen Raum mehr. Wenn es übersprungen wird, kann es auch zu unüberlegten Handlungen kommen, wie z.B. einem Wutausbruch.
Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine der aktuell einflussreichsten Therapieformen. Dabei hat dieser Ansatz den Anspruch, dass verwendete Theorien und Anwendungen zur Behandlung psychischer Störungen mithilfe von empirisch-wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen wurden (Radkovsky & Berking, 2012). Es gibt störungsspezifische und -unspezifische Therapieverfahren (Wittchen & Hoyer, 2011). Hierfür ist Grundlagenforschung zu unterschiedlichen Aggressionstheorien wichtig. So hat sich zum Beispiel aus der Frustrations-Aggressions-Theorie ergeben, dass im therapeutischen Prozess der Klientin/dem Klienten geholfen wird, effektiv mit Frustration umzugehen (Lewis & Bucher, 1992).
Es gibt nicht die eine verhaltenstherapeutische Methode. Auch gibt es für Betroffene nicht den einen Weg. Eine Vielzahl von Methoden stehen zur Verfügung. Und aus diesen wird je nach Problem des Patienten/der Patientin ausgewählt. Zunächst stellen sich Patienten/Patientinnen in einer psychotherapeutischen Sprechstunde vor. Hier wird herausgefunden, ob das Problem psychischen Ursprungs ist und eine Psychotherapie infrage kommt. Darauf folgen Probesitzungen. Ziel ist das Kennenlernen, der Aufbau einer therapeutischen Beziehung und die erste Diagnostik. Hier entscheidet der/die Therapeut/in, ob eine kognitive Verhaltenstherapie passend für den Patienten/die Patientin ist (Watzke et al., 2018; Studysmater, o.J.).
Eine kognitive Verhaltenstherapie beginnt meistens mit einer Verhaltensanalyse. Dabei kann wie folgt vorgegangen werden (Wittchen & Hoyer, 2011):
Auch eine wichtige Komponente ist die therapeutische Beziehung. Diese ist besonders wichtig für den Erfolg einer Psychotherapie. Hier sollten Sie deshalb immer darauf achten, ob Sie sich mit Ihrer Psychotherapeutin/Ihrem Psychotherapeuten wohlfühlen und sich öffnen können (Revenstorf, 2018; Studysmater, o.J.).
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen bei Problemen mit der Kontrolle von Wut und Aggression beinhalten meist drei Phasen:
Dazu werden unterschiedliche verhaltenstherapeutische Methoden eingesetzt. Häufig gehören dazu (Beck & Fernandez, 1998):
Kognitives Reframing: Beim kognitiven Reframing geht es darum, unbewusste und bewusste Prozesse aufzudecken und gezielt zu hinterfragen (Goodfriend & Arriaga, 2018).
Entspannungstraining: Es gibt eine Vielzahl von wirksamen Entspannungsmethoden bei Wut und Aggression. Dazu gehören zum Beispiel Progressive Muskelentspannung (İçel & Başoğul, 2021) und Autogenes Training (Klott, 2013).
Rollenspiele: Mithilfe von Rollenspielen wird geübt, wie in bestimmten Situationen reagiert werden kann.
Wichtig ist auch, dass Probleme mit Wut und Aggression differenzialdiagnostisch abgeklärt werden. Dies bedeutet, dass das Vorliegen anderer Ursachen für das Problem ausgeschlossen wird. So können z.B. Depressionen zu Wutausbrüchen führen. Hier sollte dann die Behandlung der Depressionen im Fokus stehen.
Es konnte nachgewiesen werden, dass die kognitive Verhaltenstherapie bei unterschiedlichen Erkrankungen große Wirkung hat. Diese Effektivität ist vor allem bei der Behandlung von Angststörungen und Depressionen gegeben (Tolin, 2010). Außerdem ist eine starke Effektivität bei der Behandlung von somatoformen Störungen, Bulimie, Problemen mit der Kontrolle von Wut und generellem Stress gefunden worden (Hofmann et al., 2012).
Aus unterschiedlichen Richtungen gibt es auch Kritik an der kognitiven Verhaltenstherapie. So kritisieren Psychoanalytiker/innen, dass die KVT vor allem die Reduzierung von Symptomen zum Ziel habe. Es werde nicht die Ursache einer psychischen Störung, sondern lediglich das Symptom behandelt (Wampold et al., 2015). Aus der humanistischen Richtung wird kritisiert, dass die KVT den Menschen als von außen determiniert sieht. Inneres Wachstum und Willensfreiheit würden zu sehr ausgeblendet werden. Ein weiterer Nachteil der kognitiven Verhaltenstherapie ist, dass Vergangenheit und Kindheit nicht im Fokus stehen. Der Wunsch “die Vergangenheit aufzuräumen” wird in der kognitiven Verhaltenstherapie meist nicht erfüllt (Studysmater, o.J.).
Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine wirksame Methode zur Bewältigung von Wut und Aggressionen, indem sie nicht nur die Ursprünge dieser Emotionen aufdeckt, sondern auch konkrete Werkzeuge zur Bewältigung bietet. Diese Therapieform basiert auf der Idee, dass unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen miteinander verbunden sind und einander beeinflussen. Durch das Verändern von selbstabwertenden Gedankenmustern und das Anpassen des Verhaltens können unkontrollierte Wutausbrüche reduziert werden.
Beck, R., & Fernandez, E. (1998). Cognitive-behavioral therapy in the treatment of anger: A meta-analysis. Cognitive therapy and research, 22(1), 63-74. https://doi.org/10.1023/A:1018763902991.
Goodfriend, W., & Arriaga, X. B. (2018). Cognitive reframing of intimate partner aggression: Social and contextual influences. International journal of environmental research and public health, 15(11), 2464. https://doi.org/10.3390/ijerph15112464.
Hofmann, S. G., Asnaani, A., Vonk, I. J., Sawyer, A. T., & Fang, A. (2012). The efficacy of cognitive behavioral therapy: A review of meta-analyses. Cognitive therapy and research, 36, 427-440. https://doi.org/10.1007/s10608-012-9476-1.
İçel, S., & Başoğul, C. (2021). Effects of progressive muscle relaxation training with music therapy on sleep and anger of patients at Community Mental Health Center. Complementary therapies in clinical practice, 43, 101338. https://doi.org/10.1016/j.ctcp.2021.101338.
Klott, O. (2013). Autogenic Training–a self-help technique for children with emotional and behavioural problems. Therapeutic Communities: The International Journal of Therapeutic Communities, 34(4), 152-158. https://doi.org/10.1108/TC-09-2013-0027.
Lewis, W. A., & Bucher, A. M. (1992). Anger, catharsis, the reformulated frustration-aggression hypothesis, and health consequences. Psychotherapy: Theory, research, practice, training, 29(3), 385.
Radkovsky, A., Berking, M. (2012). Kognitive Verhaltenstherapie. In: Berking, M., Rief, W. (eds) Klinische Psychologie und Psychotherapie für Bachelor. Springer-Lehrbuch, vol 5024. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-25523-6_3.
Revenstorf, D. (2018). Verhaltenstherapie und andere Therapieformen. Lehrbuch der Verhaltenstherapie: Band 1: Grundlagen—Diagnostik—Verfahren—Rahmenbedingungen, 205-221. https://doi.org/10.1007/978-3-662-07565-4_13.
Studysmater. (o.J.). Kognitive Verhaltenstherapie. Abgerufen am 9. Februar 2023 von: https://www.studysmarter.de/schule/psychologie/anwendungsdisziplinen-der-psychologie/kognitive-verhaltenstherapie/.
Tolin, D. F. (2010). Is cognitive–behavioral therapy more effective than other therapies?: A meta-analytic review. Clinical psychology review, 30(6), 710-720. https://doi.org/10.1016/j.cpr.2010.05.003.
Bruce E. Wampold, Christoph Flückiger, A. C. Del Re, Noah E. Yulish, Nickolas D. Frost, Brian T. Pace, Simon B. Goldberg, Scott D. Miller, Timothy P. Baardseth, Kevin M. Laska & Mark J. Hilsenroth (2017) In pursuit of truth: A critical examination of meta-analyses of cognitive behavior therapy, Psychotherapy Research, 27:1, 14-32, DOI: 10.1080/10503307.2016.1249433
Watzke, B., Barghaan, D., Harfst, T., Koch, U., & Schulz, H. (2018). Versorgungsforschung. Lehrbuch der Verhaltenstherapie: Band 1: Grundlagen, Diagnostik, Verfahren, Rahmenbedingungen, 845-857. https://doi.org/10.1007/978-3-540-79541-4_53.
Wittchen, HU., Hoyer, J. (2011). Was ist Klinische Psychologie? Definitionen, Konzepte und Modelle. In: Wittchen, HU., Hoyer, J. (eds) Klinische Psychologie & Psychotherapie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-13018-2_1.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.