Erfahre hier, was hinter der Frustrations-Aggressions-Theorie steckt und was diese genau aussagt.
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Stellen Sie sich vor, Sie stecken im Stau und Ihre Frustration wächst, weil Sie zu spät zu einem wichtigen Termin kommen. Als Sie endlich ankommen, lässt die geringste Unstimmigkeit, wie ein fehlender Parkplatz, Ihre aufgestaute Wut explodieren. Dies illustriert die Frustrations-Aggressions-Hypothese, die vorschlägt, dass Frustration—das Gefühl, daran gehindert zu werden, ein Ziel zu erreichen—Aggression hervorrufen kann.
In der Arbeitswelt könnte dies bedeuten, dass Sie nach wiederholten Hindernissen bei einem Projekt auf einen kleinen Fehler eines Kollegen mit übermäßiger Wut reagieren. Solch ein Verhalten kann sich in lautstarken Wutanfällen oder aggressiven E-Mails äußern. Es ist wichtig, diese Zusammenhänge zu verstehen, um geeignete Strategien zur Bewältigung von Frustration und Aggression im beruflichen Umfeld zu entwickeln und somit ein harmonischeres Arbeitsklima zu fördern.
Um die Theorie besser zu verstehen, gehen wir zunächst auf die einzelnen Begriffe ein: Wie der Titel schon sagt, beinhaltet die Theorie die zwei Begriffe Frustration, sowie Aggression. Jeder hat schon mal Frustration erlebt. Frustration wird in der Psychologie als ein Zustand oder Erleben definiert, bei dem eine Person unfreiwillig einen angestrebten Zustand oder Wunsch nicht erreichen kann. Dieser Zustand erzeugt dann bei der Person eine Spannung (Barker et al., 1976). Frustration könnten Sie also zum Beispiel erleben, wenn sich jemand in einer vollen Supermarktschlange vordrängelt und sie deshalb länger warten müssen.
Der Aggressionsbegriff hat sich in der Wissenschaft stets verändert. Im aktuellen Kontext wird Aggression definiert als “das absichtliche Zufügen von Schaden gegenüber anderen” (Baron & Byrne, 2002; Fischer et al., 2013). Hierbei ist das willentliche Handeln des Täters entscheidend (Fischer et al., 2013). Wenn man jemandem in einer vollen Einkaufsstraße aus Versehen auf den Fuß tritt, kann also nicht von Aggression gesprochen werden. Hier fehlt die willentliche Absicht.
Erstmals auf die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Begriffen ist man damals durch statistische Analysen aufmerksam geworden. Es wurde festgestellt, dass damals in Amerika die Baumwollpreise negativ mit Lynchmorden an schwarzen Dorfbewohnern zusammenhingen. Das heißt also: wenn die Baumwollpreise niedrig waren (Frustration für die Farmbesitzer), gab es eine hohe Anzahl an Lynchmorden (Aggression). Oder andersherum: wenn die Baumwollpreise hoch waren, gab es weniger Lynchmorde (Fischer et al., 2013). Was sagt dies nun entsprechend der Hypothese aus? Sinkende Baumwollpreise führten zu Frustration bei den Farmbesitzern, was dann in einer erhöhten Aggression gegenüber ihren Mitarbeitenden mündete (Fischer et al., 2013). Frustration führte dementsprechend zu Aggression.
Wenn Sie erleben, dass sich jemand in der vollen Supermarktschlange vordrängelt, könnte es sein, dass Sie frustriert sind. Sie fühlen sich möglicherweise von dieser Person ungerecht behandelt. Als Reaktion diese Frustration kann eine Form des Verhaltens Aggression sein. Dies wäre der Fall, wenn Sie zum Beispiel der vordrängelnden Person mit dem Einkaufswagen absichtlich in die Fersen fahren würden.
Was besagt die Theorie nun also genau? Die Frustrations-Aggressions-Theorie geht davon aus, dass sich das Erleben von Frustration im Verhalten bemerkbar macht. Eine Form dieses Verhaltens kann Aggression sein (Fischer et al., 2013). Dabei reicht bereits die eigene Bewertung eines Ereignisses als Benachteiligung aus, um Frustration und dann folglich Aggression auszulösen (Leary et al., 2006). Weitere Faktoren sind Ablehnung und Zurückweisung, die zu Frustration führen können (Fischer et al., 2013, Twenge et al., 2001).
Ein weiterer entscheidender Faktor ist der Selbstwert. Dabei führt nicht ein niedriger Selbstwert nach Frustration zu Aggression, sondern vielmehr ein hoher Selbstwert (Fischer et al., 2013). Hier wurde zum Beispiel eine Studie im Zusammenhang mit Narzissmus durchgeführt. Narzissmus kann in diesem Zusammenhang als übersteigerter hoher Selbstwert betrachtet werden (Bushman & Baumeister, 1998). Es konnte sich zeigen, dass narzisstische Personen auf Beleidigungen am stärksten mit Aggression reagieren (Bushman & Baumeister, 1998). Daraus kann geschlossen werden, dass ein hoher Selbstwert zu mehr Aggression führt als ein niedriger.
Stellen Sie sich vor, sie jonglieren täglich zwischen ihrem anspruchsvollen Job, Haushalt und der Erziehung ihrer beiden schulpflichtigen Kinder. Diese Woche ist besonders herausfordernd für Sie, da Sie sich auf ein wichtiges Projekt im Büro vorbereiten müssen. Nun steht heute ein wichtiger Tag bevor, weshalb Sie Ihre Kinder rechtzeitig für die Schule fertig machen, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Sie starten den Wagen, doch er springt nicht an. Mit wachsender Frustration bemerken Sie, dass die Batterie leer ist. Dieser unerwartete Rückschlag bringt ihren Zeitplan durcheinander. Sie spüren, wie sich die Frustration in Ihnen anstaut. Sie merken auch, dass ihre Reizbarkeit steigt.
Während Sie auf den Abschleppdienst warten, nutzen Sie die Zeit, um einige berufliche E-Mails zu beantworten. Doch die Internetverbindung ist langsam und instabil, und Ihre Bemühungen werden von ständigen Verbindungsabbrüchen behindert. Die Frustration wächst weiter, da Sie Ihre Aufgaben nicht effizient erledigen können. Die Uhr tickt und Sie fühlen sich immer mehr in die Enge getrieben. Schließlich kommt der Abschleppdienst, aber der Techniker hat Schwierigkeiten, die Autobatterie zu überprüfen und auszutauschen. Ihre Geduld ist am Ende und ihre Frustration entlädt sich in einem Moment der Aggression, als Sie ungewollt auf das Lenkrad schlagen. Sie spüren, wie ihre Anspannung in einem kurzen Ausbruch von Wut zum Ausdruck kommt, auch unkontrollierte Wutausbrüche genannt.
Diese Autoren haben die ersten Experimente zur Frustrations-Aggressions-Theorie durchgeführt. Sie führten Experimente durch, in denen Kinder in einen Raum voll mit Spielzeug gebracht wurden. Die eine Gruppe an Kindern durfte sofort dort spielen. Die andere Gruppe musste lange warten, bevor Sie spielen durften. Die Kinder, die lange gewartet haben, zeigten einen aggressiven Umgang mit dem Spielzeug, indem sie es herumwarfen und zerstörten (Baker et al., 1976).
Dollart et al., (1939) nahmen an, dass Frustration immer zu Aggression führt. Auch umgekehrt stellten Sie die Theorie auf, dass Aggression immer Frustrationserleben voraussetzt.
Miller arbeitete heraus, dass Frustration nicht immer zu Aggression führen muss (Miller, 1941). Sie kann auch zu anderen Reaktionen führen oder lediglich aggressive Tendenzen auslösen (Fischer et al., 2013). Ob es wirklich zu Aggression kommt, hängt also davon ab, welche Reaktion auf die Frustration erfolgt (Fischer et al., 2013).
Maier hat Experimente mit Ratten durchgeführt. Diese erhielten unlösbare Aufgaben (Frustration). Hierauf reagierten die Ratten mit einer unwillkürlichen Fixierung. Diese Fixierung wurde auch beibehalten, wenn die Aufgabe wieder lösbar gemacht wurde (Maier, 1949).
Berkowitz hat die Theorie erweitert: Laut ihm führt Frustration zu negativem Affekt bzw. Emotionen, wodurch dann Aggression entstehen kann (Berkowitz, 1988).
Die zu Beginn getroffene Aussage, dass auf Frustration immer Aggression folgt, konnte so nicht aufrechterhalten werden. Deshalb wurde die Theorie auch immer weiterentwickelt. Grundsätzlich kann Frustration zu Aggression führen, aber es können auch andere Verhaltensweisen als Reaktion gezeigt werden.
Die grundlegende Theorie war noch sehr radikal, wobei diese immer erweitert wurde. So wurden unterschiedliche Reaktionen auf Frustration beachtet, wie zum Beispiel die Reaktion der Fixierung in einem Experiment mit Ratten. Außerdem wurde der Affekt in das Modell mit einbezogen, so dass ein negativer Affekt Folge von Frustration ist. Auf jeden Fall haben sich die radikalen Schlüsse aus den ersten Schritten nicht bestätigen können. Aber sie waren richtungsweisend und haben zu vielen Erkenntnissen in der Aggressionsforschung beigetragen.
Barker, R.G., Dembo, T., & Lewin, K. (1976). Frustration and Regression: An Experiment With Young Children.
Baron, R. A. & Byrne, D. (2002). Social psychology. Boston: Allyn & Bacon.
Berkowitz, L. (1988). Frustrations, appraisals, and aversively stimulated aggression. Aggressive Behavior, 14(1), 3–11. https://doi.org/10.1002/1098-2337(1988)14:1<3::AID-AB2480140103>3.0.CO;2-F.
Bushman, B. J., & Baumeister, R. F. (1998). Threatened egotism, narcissism, self-esteem, and direct and displaced aggression: Does self-love or self-hate lead to violence? Journal of Personality and Social Psychology, 75(1), 219–229. https://doi.org/10.1037/0022-3514.75.1.219.
Dollard, J., Miller, N. E., Doob, L. W., Mowrer, O. H., & Sears, R. R. (1939). Frustration and aggression. Yale University Press. https://doi.org/10.1037/10022-000.
Fischer, P., Jander, K., &, Krueger, J. (2018). Aggression. In: Sozialpsychologie für Bachelor. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56739-5_5.
Leary, M. R., Twenge, J. M., & Quinlivan, E. (2006). Interpersonal rejection as a determinant of anger and aggression. Personality and social psychology review, 10(2), 111-132. https://doi.org/10.1207/s15327957pspr1002_2.
Maier, N. R. F. (1949). Frustration, the study of behavior without a goal. McGraw-Hill.
Miller, N. E. (1941). I. The frustration-aggression hypothesis. Psychological Review, 48(4), 337–342. https://doi.org/10.1037/h0055861.
Twenge, J. M., Baumeister, R. F., Tice, D. M., & Stucke, T. S. (2001). If you can't join them, beat them: Effects of social exclusion on aggressive behavior. Journal of Personality and Social Psychology, 81(6), 1058–1069. https://doi.org/10.1037/0022-3514.81.6.1058.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.