Warum wird man durch den Konsum von Alkohol aggressiv und was kann man dagegen tun? Hier erfährt man mehr zu diesem Thema.
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
An einem Freitagabend in einer gut besuchten Bar fällt ein Mann durch sein auffälliges Verhalten auf. Er hat bereits mehrere Drinks zu sich genommen und seine Stimmung schwankt zwischen ausgelassen und gereizt. Als ein anderer Gast ihn versehentlich anrempelt und sich entschuldigt, reagiert der Mann ungewöhnlich aggressiv. Seine Stimme ist laut, seine Gestik drohend und er sucht offensichtlich die Konfrontation. Vor dem Alkoholkonsum war dieser Mann ein freundlicher und ruhiger Mensch, aber der Einfluss des Alkohols hat ihn in diesem Moment zu einem völlig anderen Menschen gemacht.
Das ist nur ein Beispiel dafür, wie Alkoholkonsum zu Aggression führen kann. Kennen Sie dieses Phänomen? Vielleicht stellen Sie sich dann folgende Frage: Warum werde ich so schnell aggressiv, wenn ich Alkohol getrunken habe? Mit dieser Frage beschäftigen wir uns in diesem Artikel. Es ist ein weit verbreitetes Phänomen. Tatsächlich spielt Alkoholkonsum bei etwa 50 % aller Gewaltverbrechen und sexuellen Übergriffen in den Industrieländern eine Rolle (Heinz et al, 2011). Aber nur ein Teil der Menschen, die Alkohol trinken, wird aggressiv. Wenn Sie zu den Menschen gehören möchten, die nicht aggressiv werden, kann Ihnen dieser Artikel nützliche Tipps geben. Hier erfahren Sie, wie es dazu kommen kann, dass Sie aggressiv werden, wenn Sie Alkohol konsumieren.
Aggression unter Alkoholeinfluss ist ein weit verbreitetes gesellschaftliches Problem. Bei Personen mit Alkoholabhängigkeit ist die Wahrscheinlichkeit für gewalttätiges Verhalten erhöht. Es gibt verschiedene Theorien (auch im Zusammenhang mit Aggressionstheorien), die versuchen, kognitive Beeinträchtigungen unter Alkoholeinfluss zu erklären (Heinz et al, 2011):
Alkohol führt nicht direkt zu Aggression. Es werden jedoch Prozesse in verschiedenen Hirnarealen beeinflusst, die die Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens erhöhen (Heinz et al, 2011; Graham, 1980).
Die pharmakologischen Eigenschaften des Alkohols stören Zentren im Gehirn, die für die Aufrechterhaltung der hemmenden Kontrolle des Verhaltens verantwortlich sind (Heinz et al, 2011; Graham, 1980).
Alkoholkonsum führt zu einer Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Im alkoholisierten Zustand können weniger situative Reize verarbeitet werden. Stattdessen werden einzelne Reize intensiver wahrgenommen. Vergleichbar ist dies mit dem Zoom eines Kameraobjektivs. Nach dem Zoom kann nur noch ein kleiner Ausschnitt einer Szene scharf gesehen werden (Heinz et al, 2011; Steele & Josephs, 1990).
Alkohol vermindert die Aufmerksamkeit. Stimulierenden Reizen (z.B. angerempelt werden in einer Bar) wird nun mehr Bedeutung und Aufmerksamkeit geschenkt als hemmenden Reizen (z.B. das Ereignis wird als Zufall betrachtet). Es muss also ein Hemmungskonflikt vorliegen, damit Alkohol aggressives Verhalten auslöst. Unter Alkoholeinfluss und bei Vorliegen eines Hemmungskonflikts werden Entscheidungen stärker von stimulierenden als von konfliktreduzierenden Hinweisen beeinflusst (Giancola & Corman, 2007; Heinz et al, 2011; Steele & Josephs, 1990; Steele & Southwick, 1985).
Die Verarbeitung bedrohlicher Informationen ist unter Alkoholeinfluss gestört. Mehrdeutige zwischenmenschliche Signale werden häufig als feindselige Absichten fehlinterpretiert. Alkohol wirkt bei geringer Provokation stärker aggressionsfördernd. Hohe Provokation (Vergleich Frustrations-Aggressions-Theorie) hat an sich schon eine starke Wirkung auf Aggression, sodass Alkohol hier kaum zusätzliche Effekte hat (Giancola et al., 2002; Heinz et al., 2011; Nasby et al., 1980).
Alkohol beeinträchtigt die Fähigkeit, Bedrohungssignale richtig zu erkennen und zu bewerten. So kann Alkohol Aggressionen auslösen (Heinz et al, 2011; Phil et al, 1993; Ito et al, 1996).
Alkohol steigert die allgemeine Erregung. Die physiologische Stressreaktion wird jedoch gedämpft (z.B. Reaktion auf Provokation). Dies begünstigt eine erhöhte Aggressivität (Heinz et al, 2011; Hoaken et al, 2003).
Konservative Erklärungen gehen davon aus, dass nicht die pharmakologischen Eigenschaften von Alkohol, sondern die Erwartungen daran, aggressives Verhalten auslösen. Personen mit einer starken Assoziation im Gedächtnis zwischen Alkohol und Aggression, reagieren eher mit aggressivem Verhalten, wenn sie auf als bedrohlich empfundene Reize treffen (Heinz et al, 2011; Goldman et al., 1999).
Hier können verschiedene Ursachen eine Rolle spielen. So ist es möglich, dass Personen, die unter Alkoholeinfluss nicht aggressiv werden, andere Erwartungen an die Wirkung von Alkohol haben (Heinz et al, 2011). Auch führt Alkohol bei Personen mit höherer Impulsivität und geringeren exekutiven Funktionen im Gehirn eher zu Aggressionen (Giancola, 2000). Exekutive Funktionen werden mit der Planung von Verhalten, der Hemmung von Verhalten und der Regulierung von zielgerichtetem Verhalten in Verbindung gebracht (Heinz et al, 2011).
Häufig wird angenommen, dass Alkoholkonsum bei Frauen nicht zu erhöhter Aggressivität führt. In einer Studie konnte dies jedoch widerlegt werden. Die Studie von Giancola et al. (2009) zeigt, dass Alkoholkonsum auch bei Frauen zu erhöhter Aggressivität führen kann. Allerdings ist dieser Effekt bei Männern deutlich stärker (Giancola et al., 2009). Wenn zusätzlich zum Alkohol eine geringe Provokation hinzukam, waren Männer aggressiver, bei einer hohen Provokation war die Wahrscheinlichkeit für Aggression bei Männern und Frauen jedoch gleich (Giancola et al., 2002). Die exekutiven Funktionen spielen bei den Geschlechtsunterschieden keine Rolle. Hier zeigte Alkohol bei Männern und Frauen die gleiche einschränkende Wirkung auf die exekutiven Funktionen (Guillot et al., 2010).
Achtung! Wenn Sie abhängig von Alkohol sind, ist es wichtig, dass Sie sich Hilfe suchen. Hier kann je nach Abhängigkeit eine stationäre oder ambulante Entgiftung mit psychiatrischer oder psychotherapeutischer Begleitung sinnvoll sein. Lassen Sie sich dazu - wenn Sie alkoholabhängig sind - von Ihrem Hausarzt beraten.
Wenn Sie regelmäßig aggressiv werden, wenn Sie Alkohol trinken, sollten Sie Ihren Alkoholkonsum dringend anpassen. Versuchen Sie nachzudenken: In welchen Situationen waren Sie aggressiv oder gar passiv-aggressiv? Was haben Sie getrunken? Wie haben Sie sich an dem Tag gefühlt? Passen Sie Ihr Verhalten entsprechend an. In Situationen, in denen Sie in der Vergangenheit häufiger aggressiv reagiert haben, sollten Sie in Zukunft keinen Alkohol mehr trinken. Wenn Sie Hilfe bei der Reflexion Ihres aggressiven Verhaltens und Unterstützung bei der Aggressionsbewältigung suchen, kann eine Aggressionstherapie infrage kommen. Hier werden Sie mit Ihren Themen rund um Wut und Aggression professionell begleitet. Abgeraten wird hingegen von einem sogenannten Anti-Aggressivitäts-Training (kurz AAT), zwar wird hier ebenfalls der Aggresssion den Kampf angesagt, allerdings handelt es sich hierbei um eine komplett andere Zielgruppe.
Alkoholkonsum kann Aggressionen verstärken. Verschiedene Theorien erklären diesen Zusammenhang, z.B. die Enthemmungshypothese oder die Aufmerksamkeits-Zuteilungs-Hypothese. Nicht alle Menschen reagieren aggressiv auf Alkohol. Individuelle Faktoren wie Erwartungshaltung, Impulsivität und kognitive Funktionen spielen eine entscheidende Rolle. Auch Frauen können unter Alkoholeinfluss aggressiv reagieren, allerdings ist dieser Effekt bei Männern stärker ausgeprägt. Bei regelmäßiger Aggressivität im Zusammenhang mit Alkoholkonsum ist es ratsam, den Konsum zu überdenken und gegebenenfalls professionelle Hilfe in Form von Therapie oder ärztlicher Beratung in Anspruch zu nehmen.
Giancola P. R. (2000). Executive functioning: a conceptual framework for alcohol-related aggression. Experimental and clinical psychopharmacology, 8(4), 576–597. https://doi.org/10.1037//1064-1297.8.4.576.
Giancola, P. R., & Corman, M. D. (2007). Alcohol and aggression: a test of the attention-allocation model. Psychological science, 18(7), 649–655. https://doi.org/10.1111/j.1467-9280.2007.01953.x.
Giancola, P. R., Levinson, C. A., Corman, M. D., Godlaski, A. J., Morris, D. H., Phillips, J. P., & Holt, J. C. (2009). Men and women, alcohol and aggression. Experimental and clinical psychopharmacology, 17(3), 154–164. https://doi.org/10.1037/a0016385.
Goldman, M. S., Darkes, J., & Del Boca, F. K. (1999). Expectancy mediation of biopsychosocial risk for alcohol use and alcoholism. In I. Kirsch (Ed.), How expectancies shape experience (pp. 233–262). American Psychological Association. https://doi.org/10.1037/10332-010.
Graham, K. (1980). Theories of intoxicated aggression. Canadian Journal of Behavioural Science / Revue canadienne des sciences du comportement, 12(2), 141–158. https://doi.org/10.1037/h0081045.
Guillot, C. R., Fanning, J. R., Bullock, J. S., McCloskey, M. S., & Berman, M. E. (2010). Effects of alcohol on tests of executive functioning in men and women: A dose response examination. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 18(5), 409–417. https://doi.org/10.1037/a0021053.
Heinz, A. J., Beck, A., Meyer-Lindenberg, A., Sterzer, P., & Heinz, A. (2011). Cognitive and neurobiological mechanisms of alcohol-related aggression. Nature Reviews Neuroscience, 12(7), 400–413. https://doi.org/10.1038/nrn3042.
Hoaken, P. N., Campbell, T., Stewart, S. H., & Pihl, R. O. (2003). Effects of alcohol on cardiovascular reactivity and the mediation of aggressive behaviour in adult men and women. Alcohol and alcoholism (Oxford, Oxfordshire), 38(1), 84–92. https://doi.org/10.1093/alcalc/agg022.
Ito, T. A., Miller, N., & Pollock, V. E. (1996). Alcohol and aggression: a meta-analysis on the moderating effects of inhibitory cues, triggering events, and self-focused attention. Psychological bulletin, 120(1), 60–82. https://doi.org/10.1037/0033-2909.120.1.60.
Nasby, W., Hayden, B., & DePaulo, B. M. (1980). Attributional bias among aggressive boys to interpret unambiguous social stimuli as displays of hostility. Journal of Abnormal Psychology, 89(3), 459–468. https://doi.org/10.1037/0021-843X.89.3.459.
Pihl, R.O., Peterson, J.B., & Lau, M.A. (1993). A biosocial model of the alcohol-aggression relationship. Journal of studies on alcohol. Supplement, 11, 128-39. https://doi.org/10.15288/jsas.1993.s11.128.
Steele, C. M., & Josephs, R. A. (1990). Alcohol myopia. Its prized and dangerous effects. The American psychologist, 45(8), 921–933. https://doi.org/10.1037//0003-066x.45.8.921.
Steele, C. M., & Southwick, L. (1985). Alcohol and social behavior: I. The psychology of drunken excess. Journal of Personality and Social Psychology, 48(1), 18–34. https://doi.org/10.1037/0022-3514.48.1.18.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.