Alles rund um das Anti-Aggressivitäts-Training. Von konkreten Inhalten, über die Ziele, Zielgruppen und den rechtlichen Anwendungsbereich.
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Das Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) ist eine Gruppenmaßnahme, in der bereits gewalttätige Jugendliche oder Erwachsene Verhaltensweisen und Techniken lernen, mit denen sie ihre Aggressionen bewältigen können. Das AAT wird von speziell weitergebildeten Sozialarbeitern, Pädagogen oder vereinzelt auch von Therapeuten durchgeführt. Ziele sind eine verbesserte Kommunikationsfähigkeit, Selbstreflexion, die Entwicklung von Empathie, sowie alternative Handlungsstrategien.
Das Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) wurde ursprünglich 1987 für aggressive Intensivtäter entwickelt und wird noch immer im Rahmen der Konfrontativen Pädagogik (IKD) für Personen mit schwerwiegenden Aggressionsproblemen durchgeführt (Deutsches Institut für Konfrontative Pädagogik [IKD], 2023; Krüger, 2018; Weidner, 2011).
Die Entwicklung des AAT orientierte sich an den Maßnahmen für Gang-Jugendliche im US-amerikanischen Strafvollzug, sowie an der Behandlung von Sexualstraftätern im deutschen Vollzug in Hameln, und machte es sich zum Ziel wiederkehrende Gewaltmuster aufzubrechen (Weidner, 2001). Heute gilt das Anti-Aggressivitäts-Training (AAT), anders als das abgewandelte Anti-Aggressionstraining, als eine urheberrechtlich geschützte und normierte Behandlungsmaßnahme - wo also AAT steht, muss auch AAT drin sein (Weidner, 2001; Weidner, 2008). Wer AAT als Trainer durchführen möchte, muss entsprechend qualifiziert sein und als Sozialarbeiter, Pädagoge oder Psychologe eine Weiterbildung abgeschlossen haben (IKD, 2023).
Das Anti-Aggressivitäts-Training soll aggressiven Menschen in jeder Lebenslage helfen, unabhängig davon, ob das Training im gesetzlichen Rahmen angeordnet oder freiwillig durchgeführt wird (IKD, 2023). Das AAT nutzt hierfür ein achtstufiges Programm, welches die Kommunikation stärken, das Selbstbild verbessern und das aggressive Verhalten bewältigbar machen soll (IKD, 2023; Krüger, 2018; Schanzenbächer, 2003; Weidner, 2011):
Die Dauer des AAT beträgt 4-6 Monate, mit mehrstündigen Sitzungen pro Woche und findet in Gruppen statt (IKD, 2023; Weidner, 2011). Die Gruppe wird hierbei aktiv instrumentalisiert, um schwierige Problemsituationen und eine gewaltfreie Kommunikation zuverlässig zu erproben. Ein bekanntes Beispiel ist hierfür der „Heiße Stuhl”, bei dem eine Person auf einem Stuhl Platz nimmt und, unter Aufsicht und nach ausführlicher Befragung des AAT-Trainers, von anderen Teilnehmern im intensiven Schlagabtausch provoziert und kritisiert wird (IKD, 2023; Maes, 2007).
Der „Heiße Stuhl” soll dazu verhelfen, dass die Person aggressive Denk- und Verhaltensmuster erkennt und lernt, in Zukunft besser mit Konflikten umgehen zu können (IKD, 2023; Maes, 2007). Nach einer Befragung von Schanzenbächer (2003) trägt eine mehrfache Durchführung des „Heißen Stuhls” maßgeblich zum Erfolg des AAT bei. Allgemein sollen die Übungen des Trainings Betroffenen dazu verhelfen, ihr Verhalten zu hinterfragen, Wut und Gewalt zu kanalisieren und friedliche Handlungsalternativen umzusetzen (IKD, 2023; Schanzenbächer, 2003; Krüger, 2018).
Wenn Sie mehr über den Umgang mit Wut und Aggression lernen möchten, empfehlen wir Ihnen unseren Podcast. Klicken Sie hier, um mehr zu erfahren.
Das Training zielt darauf ab, bei Personen, die bereits durch ihr aggressives Verhalten aufgefallen sind, die Neigung zur Gewalt und damit verbundene Handlungen zu reduzieren (Weidner, 2011; Schmidt 2006). Der Hauptfokus liegt hierbei auf der Reduzierung von Aggressivität, primär der Gewalt, welche sich als die „Absicht einer schweren körperlichen Schädigung der Zielperson” definieren lässt (Wirtz, 2020, S. 114).
Das Ziel des AAT ist, mittels konfrontativer Techniken innere Widerstände aufzubrechen, sowie gewaltfreie Handlungsalternativen in Konfliktsituationen zu erarbeiten (Krüger, 2018). Um in Konfliktsituationen Provokationen aushalten und gewaltfrei handeln zu können, werden psychische Abwehrmechanismen zur Neutralisierung entwickelt und die Vermeidung von Schuld- und Verantwortungsgefühle überwunden (Krüger, 2018). Das AAT hat außerdem das Ziel, die Empathie zu stärken, eine Distanz zu internalisierten Rollenerwartungen aufzubauen, sowie die Frustrationstoleranz zu erhöhen (Krüger, 2018; Weidner, 2006). Durch wiederholte Interaktionen in der Gruppe sollen Teilnehmer einen persönlichen Wandel durchmachen, indem sie sich von Gewalt abwenden und sich einer neuen Lebenseinstellung zuwenden (Schmidt, 2006). Nach Abschluss des Trainings sollen sich Teilnehmende idealerweise aktiv für gewaltfreie Konfliktlösungen einsetzen (Heilemann & Fischwasser-von Proek, 2005).
Weidner und Mahlzahn (2001) beschreiben die Zielgruppe des AAT als Jungen und Männer, bei denen Gewalt zum Alltag gehört und als eine „einfache, unkomplizierte, ökonomische und Erfolg versprechende Form der Interaktion” angesehen wird (S. 43).
Durchschnittlich richtet sich das Training an eine kleine, vorwiegend männliche Gruppe von jungen Wiederholungstätern ab 14 Jahren, die in der Regel mit schweren Straftaten wie Körperverletzung, Raub, Erpressung und versuchtem oder vollendetem Tötungsdelikt in Verbindung gebracht werden (Future Generation, 2023; Krüger, 2018). Nichtsdestotrotz kann das AAT für jede körperlich-gewalttätige Person eine legitime Option sein, um die eigene Aggressivität loszuwerden.
Vor der Teilnahme muss außerdem bestimmt werden, ob das AAT sich als Maßnahme zur Behandlung der Einzelperson überhaupt eignet. Dafür wurden folgende Ausschlusskriterien formuliert (IKD, 2017; Krüger, 2018; Weidner 2001):
Wenn Sie mehr über den Umgang mit Wut und Aggression lernen möchten, empfehlen wir Ihnen unseren Podcast. Klicken Sie hier, um mehr zu erfahren.
Das Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) ist rechtlich ein soziales Training, welches hauptsächlich für bereits mehrfach auffällig gewordene Gewalttäter angewandt wird (Krüger, 2018). Im Regelfall wird das AAT im Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe oder im Rahmen der Bewährungshilfe durchgeführt, woraus sich eine Kostenübernahme ergibt (IKD, 2023; Krüger, 2018; Weidner, 2011). Wer eigenständig ein AAT für mehrere Personen buchen möchte, der wird mit einer Rechnung von über zehntausend Euro rechnen müssen. Auch für Einzelpersonen kann eine Teilnahme ohne Kostenübernahme vergleichsweise teuer werden.
Die gängigen rechtlichen Anwendungsbereiche des AAT sind (IKD, 2023; Krüger, 2018; Weidner, 2011):
Es kann auch als isolierte Erziehungsmaßnahme oder Bewährungsauflage nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 JGG angeordnet und im Rahmen der Jugendhilfe gem. §§ 27, 29 SGB VIII durchgeführt werden. Zusätzlich kann es im Jugend- und Erwachsenenstrafvollzug gem. § 7 Abs. 2 Nr. 6 StVollzG als besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahme eingesetzt werden. Für Erwachsene kann eine gerichtliche Anordnung einer Bewährungsauflage für die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs ebenfalls nach § 56c StGB erfolgen (IKD, 2023; Krüger, 2018; Weidner, 2011).
Deutsches Institut für Konfrontative Pädagogik [Weidner & Gall]. (2017). AAT® Qualitätsstandards. Deutsches Institut für Konfrontative Pädagogik. Abgerufen am 20. März 2023, von https://www.konfrontative-paedagogik.de/aat-qualitaetsstandards
Deutsches Institut für Konfrontative Pädagogik [Weidner & Gall]. (2023). Anti-Aggressivitäts-Training (AAT®). Deutsches Institut für Konfrontative Pädagogik. Abgerufen am 20. März 2023, von https://www.konfrontative-paedagogik.de/grundlagen/anti-aggressivitats-training
Future Generation (2023). Anti-Aggressivitäts-Training®: Wir setzen mit Anti-Aggressivitäts-Training® bei der Überwindung von aggressiven Verhaltensweisen an. https://future-generation.info/leistungen/programme/anti-aggressivitaets-training#%C3%9Cbersicht
Heilemann, M. & Fischwasser-von Proek, G. (2005) Gewalt wandeln. Das Anti-Aggressivitäts-Training AAT (2. Ed.) Pabst Science Publishers.
Krüger, G. (2018). Anti-Aggressivitäts-Training [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 24.05.2018 [Zugriff am: 24.03.2023]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/261
Maes, E. (2007) Konfrontative Pädagogik: Ziele, Methoden und Probleme eines neuen Ansatzes in der Jugend- und Straffälligenhilfe, Grin-Verlag.
Schanzenbächer, S. (2003). Lohnt sich die Behandlung von Gewalttätern? Eine Wirkungsstudie zum 'AntiAggressivitäts-Training'. Sozialwissenschaften und Berufspraxis, 26(2), 213-226. https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/3802
Schmidt, M. (2006) Das Anti-Aggressivitäts-Training (Studienarbeit, Technische Universität Carolo- Wilhelming zu Braunschweig). Grin. https://www.grin.com/document/59950
Weidner, J. (2001) AAT Anti-Aggressivitäts-Training für Gewalttäter: ein deliktspezifisches Behandlungsangebot im Jugendvollzug (5., akt. Aufl.) Forum-Verl.Godesberg: Mönchengladbach.
Weidner, J. & Malzahn, U. (2001) „Ein Einblick in die Gewaltdiskussion, die Gewaltforschung und die „neuen“ Ansätze pädagogischer Arbeit mit Gewalt” in Gewalt im Griff. Neue Formen des Anti-Aggressivitäts-Trainings.
Weidner, J. (2006) Konfrontation mit Herz: Eckpfeiler eines neuen Trends in Sozialer Arbeit und Erziehungswissenschaft. In: Jens Weidner und Rainer
Kilb, Hrsg. Konfrontative Pädagogik. Konfliktbearbeitung in Sozialer Arbeit und Erziehung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage GmbH Wiesbaden, S. 11–25.
Weidner, J. (2008). AAT - Anti-Aggressivitäts-Training für Gewalttäter: ein deliktspezifisches Behandlungsangebot im Jugendvollzug. Forum Vlg Godesberg.
Weidner, J. (2011). Das Anti-Aggressivitäts-Training (AAT®) zur Behandlung gewalttätiger Intensivtäter. In: Boeger, A. (eds) Jugendliche Intensivtäter. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93017-6_5
Wirtz, M. A. (Hrsg.) (2020). Dorsch. Lexikon der Psychologie (19., überarb. Aufl.). Bern: Hogrefe.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.