Merkmale einer antisozialen Persönlichkeitsstörung sind unter anderem Aggression. Doch wie erkennt man eine solche Störung und was kann man tun, wenn man davon betroffen ist?
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
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Psychologe Ferdinand Kirchhof
Ein Merkmal der antisozialen Persönlichkeitsstörung sind Aggressionen. Aber nicht immer haben Personen mit Aggressionsproblemen eine antisoziale Persönlichkeitsstörung. Fragen Sie sich vielleicht: Warum werde ich so schnell aggressiv? Und: Habe ich dann eine antisoziale Persönlichkeitsstörung? Um diese Frage zu beantworten, beschäftigen wir uns in diesem Artikel mit dieser Persönlichkeitsstörung.
Wir zeigen Ihnen ein Beispiel, um die antisoziale Persönlichkeitsstörung zu erklären: Der 25-jährige Eric wartet auf seine Gerichtsverhandlung. Da er Autos gestohlen und Menschen verletzt hat, wurde er angeklagt. Schon als Kind hat er auffällig gehandelt. Mit zehn Jahren hat ihn die Polizei festgenommen, weil er randaliert hat. Später wurde er wieder festgenommen, weil er Menschen angegriffen hat. Er hat die Schule geschmissen und ist von Zuhause abgehauen. Jobs hat er nie lange behalten. Die Leute sind schnell gegen ihn aufgebracht, weil er aggressiv und selbstsüchtig ist. Nachdem er gegen Kaution freigelassen worden ist, ist er kurz nach seiner ersten Therapiesitzung verschwunden. Er hat sich wohl aus dem Staub gemacht, um der Gerichtsverhandlung zu entkommen.
Bei der antisozialen Persönlichkeitsstörung handelt es sich um eine psychische Erkrankung. Die Betroffenen verhalten sich anders als die meisten Menschen. Sie halten sich nicht an die geltenden Regeln. Sie haben kein Schuldbewusstsein. Stattdessen beschuldigen sie andere oder finden Ausreden für ihr Verhalten. Außerdem werden Rechte anderer verletzt und missachtet (Fiedler, 2011). Es tritt ein Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen anderer auf. Täuschung und Manipulation werden eingesetzt, um einen persönlichen Vorteil zu erlangen (Faust, 2017).
Die Entstehung der antisozialen Persönlichkeitsstörung kann unterschiedliche Ursachen haben. Es ist wichtig, zwischen Temperament und Persönlichkeitseigenschaften zu unterscheiden. Das Temperament wird durch biologische Faktoren bestimmt. Es handelt sich um Verhaltensweisen, die sehr früh beobachtbar sind. Persönlichkeitseigenschaften sind ein Wechselspiel zwischen Verhaltensweisen, emotionalen Eigenarten und kognitiven Faktoren. Hier haben vor allem die Umgebung und der Erziehungsstil Einfluss. Persönlichkeitseigenschaften werden zu Persönlichkeitsstörungen, wenn Menschen nicht mehr angemessen auf Situationen und Kontexte reagieren (Fiedler, 2011).
Die Entstehung der antisozialen Persönlichkeitsstörung kann zum Teil über genetische Faktoren erklärt werden (Dunn & Plomin, 1991; Fiedler, 2011). So konnte folgendes in einer Studie gezeigt werden: Geschwister, die in getrennte Heime adoptiert wurden, zeigten Übereinstimmung bei Verurteilungen. Dieser Effekt trat vor allem auf, wenn der gemeinsame biologische Vater ebenfalls kriminell war (Mednick et al., 1984).
Hier kann vor allem die Beziehung zwischen Eltern und Kindern eine wichtige Rolle spielen. Allerdings muss man an dieser Stelle vorsichtig sein, denn zwischen Kindern, die in derselben Familie aufwachsen, gibt es oft Unterschiede in den Persönlichkeitseigenschaften (Fiedler, 2011). Menschen mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung berichten oft von einem eher ablehnend-feindseligen Bindungsstil. Gleichzeitig ist das aber auch ein unspezifischer Faktor, weil man bei anderen psychischen Störungen denselben Bindungsstil beobachten kann (Fiedler, 2011).
Ein weiterer Faktor für die Entstehung der antisozialen Persönlichkeitsstörung können traumatische Erfahrungen sein (Semiz et al., 2007). Dazu gehören zum Beispiel physische oder sexuelle Gewalt sowie emotionale Vernachlässigung in der Kindheit. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen spezifischen Wirkfaktor. Nicht alle Kinder, die unter traumatisierenden Bedingungen aufwachsen, entwickeln eine antisoziale Persönlichkeitsstörung. Hier wird vermutet, dass Resilienz eine Rolle spielt (Fiedler, 2011).
Die Symptome der antisozialen Persönlichkeitsstörung sind im ICD-10 zu finden. Das ICD-10 ist ein internationales Klassifikationssystem für Erkrankungen, in dem unter anderem psychische Erkrankungen aufgeführt sind. Die antisoziale Persönlichkeitsstörung wird auch dissoziale Persönlichkeitsstörung genannt. Auch Psychopathie und Soziopathie werden im ICD-10 unter der antisozialen Persönlichkeitsstörung zusammengefasst. Als unabhängige Störungen mit eigener Definition werden sie allerdings nicht aufgeführt (WHO, 1993).
Für die Diagnostik der antisozialen Persönlichkeitsstörung gibt es einiges zu beachten. Zunächst ist wichtig, dass die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (ICD-10-Code: F60) erfüllt sind. Im Vordergrund stehen Verhaltensweisen, die tief verwurzelt, anhaltend und starr sind. Außerdem gibt es Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in den Beziehungen zu anderen. Die Verhaltensmuster sind stabil und zeigen sich in mehreren Lebensbereichen. Sie gehen mit unterschiedlichem Leidensdruck und gestörter sozialer Funktionsfähigkeit einher (WHO, 1993).
Bei der antisozialen Persönlichkeitsstörung (ICD-10-Code: F60.2) sind vor allem folgende Symptome ausschlaggebend (WHO, 1993):
Weiter charakteristisch für die antisoziale Persönlichkeitsstörung sind:
Aggression ist ein Symptom der antisozialen Persönlichkeitsstörung. In einer Studie hat man festgestellt, dass sowohl reaktive als auch proaktive Aggression bei Personen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung vorkommt. Reaktive Aggression ist eine Reaktion auf Provokation oder Frustration. Proaktive Aggression ist eine Art von Aggression, die nicht emotional ist, einen bestimmten Zweck verfolgt und nicht provoziert wird (Lobbestael et al., 2013).
Die Aggression bei einer antisozialen Persönlichkeitsstörung kann sich auf unterschiedliche Weise zeigen. Das ist auch im Kindes- und Jugendalter der Fall. Allerdings werden die meisten antisozialen Kinder keine antisozialen Erwachsenen (1978). Typisch für antisoziales Verhalten im Kindesalter ist zum Beispiel, Tiere zu quälen oder die Schule zu schwänzen. Im Erwachsenenalter ist die gezeigte Aggression vor allem von reaktiver Impulsivität geprägt (Swann et al., 2009). Die Schwelle, gewalttätiges Verhalten zu zeigen, ist niedrig.
Es gibt aktuell keine zugelassenen Medikamente für die pharmakologische Behandlung der antisozialen Persönlichkeitsstörung. In einer Studie wurden Medikamente gegen Aggression zur Symptombekämpfung getestet. Dabei wurde das Neuroleptikum Phenytoin gegen impulsive Aggression verabreicht. Phenytoin ist sehr umstritten in der Antiaggressions-Medikation. Es gibt sowohl positive als auch negative Ergebnisse. In einer Studie hat man festgestellt, dass sich die impulsive Aggression verringert, aber nicht die vorsätzlichen aggressiven Handlungen (Barratt et al., 1997).
Bei der Behandlung von Menschen mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung hat sich die kognitive Verhaltenstherapie als sehr wirksam erwiesen. Dabei werden maladaptive Kognitionen und Verhaltensweisen bearbeitet. Außerdem wird versucht, die Konsequenzen des antisozialen Verhaltens herauszuarbeiten. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass sich die Symptome der antisozialen Persönlichkeitsstörung im Anschluss an eine kognitive Verhaltenstherapie deutlich verbesserten (Black, 2017).
Die antisoziale Persönlichkeitsstörung ist unter anderem durch Aggression gekennzeichnet. Aber nicht immer deuten aggressive Verhaltensweisen direkt auf diese Störung hin. Die Symptome der Störung umfassen unter anderem mangelndes Schuldbewusstsein, Missachtung sozialer Normen und Manipulation. Es gibt verschiedene Faktoren, die zu ihrer Entwicklung beitragen können, darunter genetische Faktoren, Umwelteinflüsse und traumatische Erfahrungen. Die Aggression bei dieser Störung kann sowohl reaktiv als auch proaktiv sein. Diese Störung kann sich bereits im Kindes- und Jugendalter zeigen. Die Behandlung kann durch kognitive Verhaltenstherapie erfolgen.
Barratt, E. S., Stanford, M. S., Felthous, A. R., & Kent, T. A. (1997). The effects of phenytoin on impulsive and premeditated aggression: a controlled study. Journal of clinical psychopharmacology, 17(5), 341-349.
Dunn, J., & Plomin, R. (1991). Why are siblings so different? The significance of differences in sibling experiences within the family. Family process, 30(3), 271–283. https://doi.org/10.1111/j.1545-5300.1991.00271.x.
Faust, V. (2017). Antisoziale Persönlichkeitsstörung - wissenschaftlich gesehen. Psychiatrie heute. Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln. psychosoziale-gesundheit.net. Abgerufen von: https://www.psychosoziale-gesundheit.net/pdf/Int.1-Antisoziale_Persoenlichkeitsstoerung.pdf, am 20.04.2024.
Fiedler, P. (2011). Persönlichkeitsstörungen. In: Wittchen, HU., Hoyer, J. (eds) Klinische Psychologie & Psychotherapie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-13018-2_51.
Lobbestael, J., Cima, M., & Arntz, A. (2013). The relationship between adult reactive and proactive aggression, hostile interpretation bias, and antisocial personality disorder. Journal of personality disorders, 27(1), 53-66. https://doi.org/10.1521/pedi.2013.27.1.53.
Mednick, S. A., Gabrielli, W. F., Jr, & Hutchings, B. (1984). Genetic influences in criminal convictions: evidence from an adoption cohort. Science (New York, N.Y.), 224(4651), 891–894. https://doi.org/10.1126/science.6719119.
Reti, I. M., Samuels, J. F., Eaton, W. W., Bienvenu, O. J., 3rd, Costa, P. T., Jr, & Nestadt, G. (2002). Adult antisocial personality traits are associated with experiences of low parental care and maternal overprotection. Acta psychiatrica Scandinavica, 106(2), 126–133. https://doi.org/10.1034/j.1600-0447.2002.02305.x.
Robins, L. N. (1978). Sturdy childhood predictors of adult antisocial behaviour: replications from longitudinal studies. Psychological Medicine, 8(4), 611–622. doi:10.1017/S0033291700018821.
Semiz, U. B., Basoglu, C., Ebrinc, S., & Cetin, M. (2007). Childhood trauma history and dissociative experiences among Turkish men diagnosed with antisocial personality disorder. Social psychiatry and psychiatric epidemiology, 42, 865-873. https://doi.org/10.1007/s00127-007-0248-2.
Swann, A. C., Lijffijt, M., Lane, S. D., Steinberg, J. L., & Moeller, F. G. (2009). Trait impulsivity and response inhibition in antisocial personality disorder. Journal of psychiatric research, 43(12), 1057-1063. https://doi.org/10.1016/j.jpsychires.2009.03.003.
World Health Organization(WHO). (1993). The ICD-10 classification of mental and behavioural disorders. World Health Organization.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.