Hier erfahren Sie alles rund um Aggression gegen den Partner und andere bei einer Borderline Persönlichkeitsstörung.
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
In diesem Artikel befassen wir uns mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Eine zentrale Komponente der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist die Aggression gegen sich selbst oder andere. Bei der Diagnostik der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist immer eine Differenzialdiagnostik wichtig. Das bedeutet, dass mögliche andere Störungen ausgeschlossen werden. Hier sind unter anderem die Abgrenzung und der Ausschluss von Depressionen (siehe hier auch unseren Artikel zum Thema Aggression bei Depression) und anderen Persönlichkeitsstörungen (z.B. histrionische, schizotype, paranoide, narzisstische und antisoziale Persönlichkeitsstörung) relevant. Zur Abgrenzung stellen wir Ihnen deshalb in diesem Artikel die Borderline-Persönlichkeitsstörung genauer vor. Zunächst wollen wir Ihnen die Borderline-Persönlichkeitsstörung anhand eines Fallbeispiels verdeutlichen:
Eine 35-jährige Versicherungsangestellte namens Anna suchte den psychiatrischen Notdienst auf. Sie berichtete von Gefühlen wie Depression und dem Drang, unüberlegte Handlungen zu begehen. Sie verspürte ein tiefes Gefühl der Leere, begleitet von einem allgemeinen Verlust an Lebensenergie und Freude. Anna äußerte, dass sich ihre Schlafdauer in letzter Zeit drastisch auf 15 bis 20 Stunden pro Tag erhöht habe und dass sich auch ihre Essanfälle, die sie seit ihrer Kindheit begleitet hatten, verschlimmert hätten. Sie zeigte auch eine chronische Unsicherheit in Bezug auf ihre Lebensziele und sozialen Beziehungen. Anna berichtete, dass sie in der Vergangenheit kurze, aber intensive Beziehungen sowohl zu Männern als auch zu Frauen gehabt habe, die jedoch häufig durch ihren eigenen Jähzorn oder Wutausbrüche und die daraus resultierenden Konflikte belastet gewesen seien. Obwohl Anna immer das Gefühl hatte, eine glückliche und unbeschwerte Kindheit gehabt zu haben, kamen in depressiven Phasen Erinnerungen an verbale und körperliche Misshandlungen durch ihre Mutter hoch.
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine Persönlichkeitsstörung. Sie wird auch als emotional instabile Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Im ICD-10, dem internationalen statistischen Klassifikationssystem der Krankheiten, wird die emotional instabile Persönlichkeitsstörung unter dem Punkt F60.3 geführt. Dabei wird zwischen dem impulsiven Typ (F60.30) und dem Borderline-Typ (F60.31) unterschieden.
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist dadurch gekennzeichnet, dass Impulse ohne Rücksicht auf Konsequenzen umgesetzt werden. Damit verbunden ist eine unberechenbare und launische Stimmung. Außerdem fällt es schwer, impulsives Verhalten zu kontrollieren. Es besteht eine Tendenz zu aggressivem Verhalten und Konflikten mit anderen. Beim Impulsiven Typ (F60.30) stehen emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle im Vordergrund. Der Borderline-Typ (F60.31) ist zusätzlich durch eine Störung des Selbstbildes gekennzeichnet. Ziele und Präferenzen sind schwer zu benennen und es kommt zu einem chronischen Gefühl der Leere. Es bestehen intensive, aber instabile Beziehungen. Zusätzlich zeigen sich selbstschädigende Verhaltensweisen mit parasuizidalen Handlungen und Suizidversuchen (WHO, 1993).
Für die Entstehung der Borderline-Persönlichkeitsstörung werden mehrere Faktoren angenommen. Es wird ein Zusammenspiel von genetischen Parametern, traumatischen Erfahrungen in Kindheit und Jugend, aufrechterhaltenden Verhaltensmustern und Umwelteinflüssen angenommen. So zeigen prospektive Berichte aus der Biographie von Borderline-Patient/innen einen hohen Anteil an Erfahrungen von sexueller Gewalt und emotionaler Vernachlässigung. Darüber hinaus wird eine traumatische Entwertung durch Bezugspersonen angenommen. Darunter wird eine Verletzung emotionaler Erwartungen verstanden (Stoffers-Winterling et al., 2021).
Für die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung müssen mehrere Kriterien erfüllt sein. Selten tritt eine Borderline-Persönlichkeitsstörung ohne Aggressivität (gegen sich selbst oder andere) auf. Die Symptome können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. Im Folgenden werden die Kategorien mit den jeweiligen Symptomen aufgelistet (APA, 2013):
Ein Kriterium der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist die Aggression gegen sich selbst. Dabei kann es zu selbstschädigendem Verhalten kommen. Dazu gehören z.B. promiskuitive Sexualität, Substanzmissbrauch, leichtfertiges Geldausgeben, rücksichtsloses Autofahren oder Essanfälle. Auch selbstverletzendes Verhalten kommt häufig vor (Látalová & Praško, 2010). Nicht suizidales selbstverletzendes Verhalten dient bei Borderline-Patient/innen häufig als dysfunktionale Strategie zur Regulierung intensiver Emotionen (Kleindienst et al., 2008). Darüber hinaus besteht bei Patient/innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung häufig eine über Jahre anhaltende und unterschiedliche Formen von Suizidalität (Hennings, 2021).
Aggression bei einer Person mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung kann sich auch gegen Partner/innen richten (es ist dabei aber etwas ganz anderes als die ebenfalls bekannte innere Wut auf den Partner). Darüber hinaus kann es zu Aggressionen des Partners gegen die Person mit Borderline-Persönlichkeitsstörung kommen. So gaben in einer Studie circa ⅓ der Patient/innen an, dass es zu gegenseitiger Gewalt in der Beziehung gekommen sei (Bouchard et al., 2009).
Ein weiteres Merkmal der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist die Aggression gegenüber anderen. Unangemessene Wut tritt auf. Außerdem gibt es Schwierigkeiten, diese Wut zu kontrollieren. Es kann zu körperlichen Auseinandersetzungen kommen. In einer Längsschnittstudie wurden Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung beobachtet. 58% gaben an, gelegentlich oder häufig in körperliche Auseinandersetzungen verwickelt zu sein. 25% setzten Waffen gegen andere ein (Soloff et al., 2003). Es besteht Einigkeit darüber, dass bei Patient/innen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung ein erhöhtes Risiko für gewalttätiges Verhalten besteht (Látalová & Praško, 2010).
Es gibt verschiedene wirksame Therapieverfahren für die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Im Folgenden werden die kognitive Verhaltenstherapie, die dialektisch-behaviorale Therapie und die psychodynamische Therapie vorgestellt.
Die kognitive Verhaltenstherapie geht davon aus, dass den Symptomen verzerrte, maladaptive Überzeugungen und kognitive Prozesse zugrunde liegen. Diese Überzeugungen werden durch das Verhalten noch verstärkt. Häufig sind es aber anhaltende dysfunktionale Glaubenssätze, die in die kognitive Organisation der Patient/innen integriert sind. Daher ist ein erheblicher Zeit- und Arbeitsaufwand erforderlich, um nachhaltige Veränderungen zu erreichen. In einer Studie konnte eine signifikante Reduktion von Suizidalität, Selbstverletzung und interpersoneller Aggression sowie eine Verbesserung der allgemeinen Funktionsfähigkeit nachgewiesen werden (Davidson et al., 2006; Látalová & Praško, 2010).
Die dialektisch-behaviorale Therapie kombiniert Einzeltherapie und Skillstraining in der Gruppe. Ziel ist die Veränderung des Erlebens und Verhaltens durch akzeptanz- und veränderungsorientierte Strategien. Es werden Fertigkeiten zur Emotionsregulation, Stresstoleranz, Achtsamkeit und sozialen Interaktion vermittelt. Darüber hinaus finden Expositionen mit vermiedenen Emotionen wie Verlassenwerden und Zurückweisung statt. In Evaluationsstudien konnte eine Reduktion von suizidalem Verhalten, weniger Ärger und eine erhöhte Substanzabstinenz nachgewiesen werden (Látalová & Praško, 2010; Linehan et al., 1999).
Ziel der psychodynamischen Therapie von Borderline-Patient/innen ist unter anderem eine verbesserte Mentalisierungsfähigkeit. Außerdem wird bei der psychodynamischen Behandlung dieser Persönlichkeitsstörung mit der Übertragungsbeziehung zwischen Patient/in und Psychotherapeut/in gearbeitet. Angestrebt wird eine Verbesserung der Objektbeziehungen.
In einer Studie wurde die Wirksamkeit der psychodynamischen Psychotherapie bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung untersucht. Es konnte eine signifikante Reduktion von gewalttätigem Verhalten, Selbstverletzung, Symptomschwere, Symptomanzahl und illegalem Substanzkonsum festgestellt werden (Látalová & Praško, 2010; Meares et al., 1999).
Die Bedeutung von Aggression bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung liegt in ihren tiefgreifenden Auswirkungen auf Beziehungen und das allgemeine Wohlbefinden der Betroffenen. Der Artikel erläutert, dass die Borderline-Persönlichkeitsstörung durch impulsives Verhalten, instabile Emotionen und ein gestörtes Selbstbild gekennzeichnet ist. Aggression spielt dabei eine zentrale Rolle und tritt in verschiedenen Formen auf. Dazu gehören Selbstverletzungen, Konflikte mit Partnern sowie unkontrollierte Wutausbrüche. Therapeutische Ansätze wie die kognitive Verhaltenstherapie, die dialektisch-behaviorale Therapie und die psychodynamische Therapie spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung dieser Aggressionen und anderer Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Die Forschung hat gezeigt, dass diese Therapien die Aggressivität wirksam reduzieren und den Betroffenen helfen, ein stabileres und gesünderes Leben zu führen.
American Psychiatric Association, American Psychiatric Association, DSM-5 Task Force. Diagnostic and statistical manual of mental disorders: DSM-5. American Psychiatric Association, 2013.
Bouchard, S., Sabourin, S., Lussier, Y., & Villeneuve, E. (2009). Relationship quality and stability in couples when one partner suffers from borderline personality disorder. Journal of marital and family therapy, 35(4), 446-455. https://doi.org/10.1111/j.1752-0606.2009.00151.x.
Davidson, K., Norrie, J., Tyrer, P., Gumley, A., Tata, P., Murray, H., & Palmer, S. (2006). The effectiveness of cognitive behavior therapy for borderline personality disorder: results from the borderline personality disorder study of cognitive therapy (BOSCOT) trial. Journal of personality disorders, 20(5), 450–465. https://doi.org/10.1521/pedi.2006.20.5.450.
Hennings, J. M. (2021). Das Verstärkermodell der Suizidalität: Chronische Suizidalität bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung verstehen und behandeln. Verhaltenstherapie, 31(4), 286-297. https://doi.org/10.1159/000518239.
Kleindienst, N., Bohus, M., Ludäscher, P., Limberger, M. F., Kuenkele, K., Ebner-Priemer, U. W., Chapman, A. L., Reicherzer, M., Stieglitz, R. D., & Schmahl, C. (2008). Motives for nonsuicidal self-injury among women with borderline personality disorder. The Journal of nervous and mental disease, 196(3), 230–236. https://doi.org/10.1097/NMD.0b013e3181663026.
Látalová, K., & Praško, J. (2010). Aggression in borderline personality disorder. Psychiatric Quarterly, 81, 239-251. https://doi.org/10.1007/s11126-010-9133-3.
Linehan, M. M., Schmidt, H., 3rd, Dimeff, L. A., Craft, J. C., Kanter, J., & Comtois, K. A. (1999). Dialectical behavior therapy for patients with borderline personality disorder and drug-dependence. The American journal on addictions, 8(4), 279–292. https://doi.org/10.1080/105504999305686.
Meares, R., Stevenson, J., & Comerford, A. (1999). Psychotherapy with borderline patients: I. A comparison between treated and untreated cohorts. The Australian and New Zealand journal of psychiatry, 33(4), 467–481. https://doi.org/10.1080/j.1440-1614.1999.00594.x.
Soloff, P. H., Meltzer, C. C., Becker, C., Greer, P. J., Kelly, T. M., & Constantine, D. (2003). Impulsivity and prefrontal hypometabolism in borderline personality disorder. Psychiatry research, 123(3), 153–163. https://doi.org/10.1016/s0925-4927(03)00064-7.
Stoffers-Winterling, J., Krause-Utz, A., Lieb, K., & Bohus, M. (2021). Was wissen wir heute über die Borderline-Persönlichkeitsstörung? Aktuelles zu Ätiologie, Diagnostik und Therapie. Der Nervenarzt, 92(7), 643-652. https://doi.org/10.1007/s00115-021-01140-x.
World Health Organization(WHO). (1993). The ICD-10 classification of mental and behavioural disorders. World Health Organization.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.