Soll man sich in einer passiv-aggressiven Beziehung vom Partner trennen? Oder was ist der richtige Umgang? Hier erfahren Sie es.
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Stellen Sie sich die folgende Situation vor: Vordergründig zeigt sich Ihr/e Partner/in Ihnen gegenüber zuverlässig, freundlich, nett und charmant. Unterschwellig haben Sie jedoch das Gefühl, dass er/sie sich Ihnen gegenüber passiv-aggressiv verhält. Passiv-aggressives Verhalten ist nur indirekt wahrnehmbar. Mit der Zeit fällt es aber fast immer auf. Absprachen, Aufgaben oder Versprechen werden nicht eingehalten. Ausreden sind häufig. Die Person kann nur schwer zur Verantwortung gezogen werden (Sachse & Sachse, 2017).
Vielleicht fragen Sie sich: Was ist Aggression überhaupt? Oder: Warum werde ich so schnell aggressiv? Grundsätzlich geht es bei Aggression darum, einem anderen Menschen Schaden zuzufügen (Wirtz, 2020). Passiv-aggressives Verhalten gehört zur indirekten Aggression. Auch bei der indirekten Aggression besteht die Absicht, jemanden zu schädigen. Es wird jedoch versucht, diese Absicht zu verbergen (Björkqvist, Lagerspetz & Kaukiainen, 1992). Wenn eine Person übermäßig aggressiv ist, spricht man von einem Aggressionsproblem (Writz, 2020). Dies soll in diesem Artikel näher beleuchtet werden. Wann ist passiv-aggressives Verhalten problematisch? Und wie kann man damit umgehen? Doch zunächst wollen wir einen genaueren Blick darauf werfen, was passiv-aggressives Beziehungsverhalten überhaupt ist.
Vielleicht ist Ihre Frau oder Ihr Mann ständig gereizt und aggressiv. Oder haben Sie eine innere Wut auf Ihre/n Partner/in? Sind Sie ständig mit oppositionellem Verhalten konfrontiert? Vielleicht fragen Sie sich, ob diese Merkmale zu einem passiv-aggressiven Beziehungsverhalten gehören. Schauen wir uns die Anzeichen etwas genauer an:
Es gibt mehrere Anzeichen, die für eine passiv-aggressive Persönlichkeit sprechen. Diese Anzeichen zeigen sich häufig auch im Beziehungsverhalten. Die zwei wichtigsten Aspekte der passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung sind: passives Sabotieren und Negativismus (Sachse & Sachse, 2017):
Hier geht es um das vordergründige Verhalten. Es scheint, dass man sich auf die Person voll und ganz verlassen kann. Sie versprechen Dinge. Aber dann werden die Situationen oft heimlich sabotiert. Woran erkennt man das? Versprochene Dinge werden nicht gemacht. Erledigungen werden hinausgezögert. Wichtige Dokumente werden verlegt. Wichtig ist, dass keine Verantwortungsübernahme folgt. Handlungen werden “leider vergessen”. “Der Fuß ist verstaucht, deshalb konnte etwas nicht erledigt werden”. “Man wurde aufgehalten”. Nach einiger Zeit merkt man, dass man sich auf diese Person nicht verlassen kann. Überhaupt kann man der Person nicht trauen. Versprechungen kann man nicht glauben und Ausreden kann man als solche erkennen (Sachse & Sachse, 2017).
Negativismus zeigt sich, wenn man herausfindet, was “dahinter steckt”. Passiv-aggressive Menschen haben oft eine allgemein negative Weltsicht. Sie fühlen sich benachteiligt. Sie glauben, dass sie wenig tun oder bewirken können. Überzeugungen können sein, dass man sich in der Welt durchkämpfen muss, dass man schlecht behandelt wird und dass andere bevorzugt werden. Die Betroffenen sind häufig pessimistisch und unzufrieden (Sachse & Sachse, 2017).
Was hat Sabotage mit Negativismus zu tun? Die Menschen wissen, dass sie sabotieren. Aber sie rechtfertigen ihr Verhalten damit, dass sie schlecht behandelt wurden. Es ist also eine Überlebensstrategie. Sie halten Menschen auf Distanz. Diese Distanz stellt einen sogenannten Sicherheitsabstand dar. Ständig wird befürchtet, dass die eigenen Grenzen überschritten und Schaden angerichtet werden könnte. Dies lässt sich biografisch oft durch grenzüberschreitendes Verhalten der Bezugspersonen erklären (Schanz et al., 2021): Das Zimmer wurde kontrolliert, das Tagebuch gelesen oder Dinge unerlaubt weggeworfen. Dabei werden die Grenzen nicht direkt aggressiv verteidigt. Man geht davon aus, dass dies das Eindringen in den persönlichen Bereich verstärken könnte. Daher erfolgt die Verteidigung indirekt, intransparent und stark manipulativ (Sachse & Sachse, 2017; Hopwood & Wright, 2012; Hopwood, 2018).
Seien Sie geduldig und mitfühlend, aber setzen Sie klare Grenzen. Versuchen Sie, nicht auf passiv-aggressives Verhalten zu reagieren. Konzentrieren Sie sich darauf, Ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle ruhig und direkt mitzuteilen. Seien Sie offen für die Person. Ermutigen Sie die passiv-aggressive Person, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Unterstützen Sie die Person bei Bedarf dabei, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, z. B. eine Therapie. Mit Hilfe einer Therapie kann es der Person gelingen, konstruktiv mit ihren Aggressionen umzugehen. Wichtig ist auch, auf sich selbst zu achten und die eigenen Grenzen zu respektieren. Als Angehörige/r ist es wichtig, sich vor den negativen Auswirkungen des passiv-aggressiven Verhaltens zu schützen.
Für eine passiv-aggressive Person kann eine Aggressionstherapie eine wertvolle Möglichkeit sein. Innere Konflikte und unterdrückte Gefühle können erforscht und bearbeitet werden. Durch den therapeutischen Prozess können die Betroffenen lernen, ihre Aggressionen auf gesunde und konstruktive Weise auszudrücken. Sie lernen, ihre Bedürfnisse und Grenzen klar zu kommunizieren und Konflikte direkt anzusprechen. Dadurch können zwischenmenschliche Beziehungen verbessert werden. Außerdem können Sie ein gesünderes emotionales Gleichgewicht erreichen. Die Therapie kann auch helfen, die tieferen Ursachen der passiven Aggression zu erkennen. Es werden alternative Bewältigungsstrategien entwickelt. Langfristig kann dies zu einer positiven Veränderung führen.
Bei passiv-aggressivem Verhalten kann auch ein Deeskalationstraining helfen. Den Betroffenen werden alternative Strategien zur Konfliktbewältigung vermittelt. Sie lernen, ihre Emotionen besser zu verstehen und zu regulieren. Außerdem lernen sie, wie sie reagieren können, wenn sich Spannungen aufbauen. Das Training kann ihnen helfen, konstruktive Kommunikationstechniken zu entwickeln. Diese ermöglichen es, Bedürfnisse und Gefühle klar auszudrücken. Ein wichtiger Lernprozess ist dabei auch, auf passiv-aggressives Verhalten zu verzichten. Außerdem werden sie ermutigt, Konflikte direkt anzusprechen und aktiv nach Lösungen zu suchen.
Eine Trennung von einem/einer passiv-aggressiven Partner/in sollte in einigen Fällen in Betracht gezogen werden. Dies ist dann angebracht, wenn die Beziehung zu einer starken Belastung geworden ist. Vor einer Trennung ist es jedoch ratsam, mögliche Lösungsmöglichkeiten auszuprobieren. Das kann beinhalten, dass Sie mit Ihrem/r Partner/in ehrlich über die Auswirkungen des Verhaltens kommunizieren. Nehmen Sie gegebenenfalls professionelle Hilfe in Anspruch. Setzen Sie aber auch klare Grenzen. Wenn die Beziehung trotz aller Bemühungen weiterhin von passiv-aggressivem Verhalten und Unwohlsein geprägt ist, kann eine Trennung notwendig sein. Hier ist vor allem entscheidend, ob die Trennung zu Ihrem eigenen Schutz notwendig ist.
Insgesamt ist der Umgang mit passiv-aggressivem Beziehungsverhalten eine komplexe Herausforderung. Es ist wichtig, die Anzeichen für passiv-aggressives Verhalten zu erkennen. Aber auch Geduld und Einfühlungsvermögen sind entscheidend. Gleichzeitig gilt es, klare Grenzen zu setzen. Professionelle Hilfe (z.B. Aggressionstherapie, Deeskalationstraining) kann helfen, das Verhalten zu verstehen und konstruktive Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Björkqvist, K., Lagerspetz, K. M., & Kaukiainen, A. (1992). Do girls manipulate and boys fight? Developmental trends in regard to direct and indirect aggression. Aggressive Behavior, 18(2), 117–127. https://doi.org/10.1002/1098-2337(1992)18:2<117::AID-AB2480180205>3.0.CO;2-3.
Hopwood, C. J., and Wright, A. G. C. (2012). A comparison of passive–aggressive and negativistic personality disorders. J. Pers. Assess. 94, 296–303. doi: 10.1080/00223891.2012.655819.
Hopwood, C. J. (2018). Interpersonal Dynamics in Personality and Personality Disorders. European Journal of Personality, 32(5), 499-524. https://doi.org/10.1002/per.2155.
Sachse, R., & Sachse, M. (2017). Klärungsorientierte Psychotherapie der schizoiden, passiv-aggressiven und paranoiden Persönlichkeitsstörung (Vol. 8). Hogrefe Verlag GmbH & Company KG.
Schanz, C. G., Equit, M., Schäfer, S. K., Käfer, M., Mattheus, H. K., & Michael, T. (2021). Development and psychometric properties of the test of passive aggression. Frontiers in psychology, 12, 579183. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.579183.
Wirtz, M. A. (2020). Dorsch - Lexikon der Psychologie.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.