Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof

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Ausraster bei MS: Was tun bei aggressivem Verhalten bei Multipler Sklerose?

Nicht nur ein Blick in das Wörterbuch verrät, was hinter der Abkürzung MS steht. Hier erfahren Sie, was Ausraster mit MS zu tun haben.

Sie fragen sich vielleicht: Worum handelt es sich genau bei MS? MS steht für Multiple Sklerose und ist eine der verbreitetsten Krankheiten, von denen bereits junge Erwachsene betroffen sind (Dobson & Giovannoni, 2018). Es handelt sich um eine chronisch-endzündliche neurologische Autoimmunerkrankung. Bei einer Autoimmunkrankheit werden Teile des eigenen Körpers durch das Immunsystem angegriffen (Pines & Pauli, 2017). Speziell bei MS werden myelinbildende Zellen fälschlicherweise als fremd identifiziert und angegriffen. Myelin bildet sich um Nervenzellen herum, damit z.B. die Leitungsgeschwindigkeit erhöht wird. Dieses Myelin löst sich bei MS im Gehirn und Rückenmark herdförmig auf. Diese Herde verhärten sich und es kommt zu einer Narbenbildung. Hier lässt sich auch der Ursprung der Namensgebung von MS finden: Sklerose bedeutet “Verhärtung” (Pines & Pauli, 2017). 

Ausraster am Telefon können auch in Verbindung mit MS stehen. Ursachen können dafür kognitive Dysfunktionen und Verhaltensänderungen sein.

Neben den biologischen Veränderungen im Körper bei Multipler Sklerose kann es auch zu Veränderungen der Kognition und dem Verhalten kommen. Circa 60 % der Personen, die an Multipler Sklerose erkranken, erleben kognitive Dysfunktionen. Dazu können verlangsamte Informationsverarbeitung und geringere Gedächtnisleistung gehören (Langdon, 2011). Außerdem konnte eine Studie herausarbeiten, dass es bei MS zu Verhaltensveränderungen kommen kann (Rosti-Otajärvi & Hämäläinen, 2013). Zu den verbreitetsten Symptomen der Verhaltensveränderung, die bei Betroffenen beobachtet werden konnten, gehörten Aggression (23 %) und Reizbarkeit (38 %) (Rosti-Otajärvi & Hämäläinen, 2013). 

Wenn Sie an Multipler Sklerose erkrankt sind und häufig Wut spüren, die Ihnen unbekannt vorkommt, kann dieser Artikel interessant für Sie sein. Sie fragen sich vielleicht seitdem: Warum werde ich so schnell aggressiv? Warum empfinde ich so viel Gereiztheit? Um diese Frage zu beantworten, möchten wir Ihnen vorerst erklären, weshalb es zu einer Verhaltensänderung bei MS kommen kann. 

Warum kann es zu einer Verhaltens- und Persönlichkeitsänderung bei MS kommen?

Zunächst muss gesagt werden, dass die Forschungslage bei kognitiven Dysfunktionen bei Multipler Sklerose bereits viel geleistet hat (Langdon, 2011). Verhaltensänderungen und Persönlichkeitsänderungen wurden hingegen in der Forschung bislang weniger Beachtung geschenkt (Rosti-Otajärvi & Hämäläinen, 2013; Stathopoulou et al., 2010). Gemeinsam haben sie, dass es bei MS zu neurologischen Veränderungen im Gehirn kommt. Dies wollen wir uns nun genauer anschauen:

Verhaltensänderung bei MS

Euphorie/ Enthemmung ist einer der Verhaltensänderungen bei MS, doch nicht immer ist es den Betroffenen so zum Jubeln, wie auf dem Bild dargestellt. Unter den Punk Euphorie/Enthemmung fällt nämlich auch aggressives Verhalten

In einer Studie aus dem Jahre 2004 wurde untersucht, mit welchen Verhaltensänderungen MS einhergeht (Fishman et al., 2004). Personen mit MS wurden dabei Fragen zu Verhaltensänderungen gestellt. Hieraus konnte abgeleitet werden, dass es zwei Bereiche der Verhaltensänderung bei MS gibt: 1. Euphorie / Enthemmung und 2. Dysphorie / Apathie. Unter dem ersten Punkt der Euphorie / Enthemmung fiel auch aggressives Verhalten. Sie fragen sich vielleicht, wieso hier Euphorie auftritt (Fishman et al., 2004). Dabei muss beachtet werden, dass Euphorie in der Psychologie zum einen den Zustand von Glück und guten Gefühlen beschreibt, aber auch für eine unangemessene gehobene Stimmung sowie gesteigerten Antrieb stehen kann. So könnte es sich bei dem gesteigerten Antrieb womöglich um zurückgehaltene Wut handeln (siehe mehr dazu im Artikel Aggressionstheorien - triebtheoretischer Ansatz). 

Bei der Euphorie im Zusammenhang mit MS wird auch von "Euphoria Sclerotica” gesprochen (Cottrell & Wilson, 1926). Es wird davon ausgegangen, dass diese Euphoria Sclerotica durch neurologische Bedingungen der MS ausgelöst werden. Hier können möglicherweise innere Verletzungen der weißen Substanz im Gehirn verantwortlich sein. Dadurch würde es dann zu einer Unterbrechung der Verbindung zwischen dem frontalen Kortex und limbischen Strukturen kommen, was wiederum die Verhaltensänderungen bei MS auslösen könnte. Außerdem wird angenommen, dass im inferioren frontalen Kortex die graue Substanz der Gehirnmasse verletzt wird (Bakshi et al., 2006). Dies sind allerdings bislang noch Annahmen, die in der weiteren Forschung genauer untersucht werden müssen (Fishman et al., 2004). Festzuhalten ist aber, dass es durch die neurologischen Veränderungen im Gehirn auch zu aggressivem Verhalten kommen kann. Beachten Sie: Nicht nur bei MS kann es zu Veränderungen im Verhalten kommen. Auch andere Erkrankungen können mit Wut und Aggression einhergehen, siehe hierzu auch unser Artikel zum Thema Aggression und ADHS, unterdrückte Wut bei einem Trauma und den Zusammenhang zwischen Depression und Aggression

Persönlichkeitsänderung bei MS

Persönlichkeitsänderungen bei  Multipler Sklerose sind keine Seltenheit: Eine Herausforderung für den Betroffenen als auch seine Angehörigen

Nun wollen wir uns mögliche Persönlichkeitsänderungen bei MS anschauen. Wie die kognitiven Fähigkeiten ist auch die Persönlichkeit eine Facette der neuropsychiatrischen Funktion, die bei Multipler Sklerose verändert sein kann (Roy et al., 2018a). Dabei ging MS in einer Studie mit höherem Neurotizismus, geringerer Extraversion und geringerer Gewissenhaftigkeit einher (Roy et al., 2018b). Diese Dimensionen sind Teil der BIG-5, die die Hauptdimensionen der Persönlichkeit darstellen sollen. Hoher Neurotizismus geht dabei mit Emotionalität und Verletzlichkeit einher, welche wiederum mit erhöhter Wut und Reizbarkeit einhergehen kann. Eine geringe Extraversion steht für zurückhaltendes und reserviertes Verhalten. Ebenso sind Personen mit geringer Gewissenhaftigkeit vermehrt unbekümmert und nachlässig. Es muss allerdings dazu gesagt werden, dass unklar ist, ob MS ein Risikofaktor für die genannten Persönlichkeitsfaktoren ist oder ob diese Charaktereigenschaften von Anfang an vorhanden sind (Roy et al., 2018b). 

Was tun als Betroffener?

Multiple Sklerose ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht heilbar. Ziel der Therapie ist es, die bestmögliche Lebensqualität zu erreichen. Hierunter gibt es je nach Ausprägung der Erkrankung unterschiedliche Möglichkeiten. Ärztlich werden z.B. häufig Medikamente eingesetzt, um die Schubdauer zu verkürzen. Wenn Sie hierzu weitere Informationen benötigen, informieren Sie sich bei Ihrem (Fach-)Arzt. 

Einen weiteren Bereich der Behandlung stellt die symptomatische Therapie dar. Hier werden die Symptome behandelt, die durch MS auftreten. Im Folgenden wollen wir uns Möglichkeiten anschauen, die infrage kommen, wenn bei Betroffenen Verhaltensänderungen mit Aggressionen auftreten. 

Neuropsychologische Beratung

Eine Neuropsychologische Beratung kann bei aggressiven Verhalten bei MS helfen

Bei einer neuropsychologischen Beratung von Personen mit MS konnte eine Studie positive Auswirkungen auf die Verhaltensänderungen zeigen (Benedict et al., 2000). Hier gehört z.B. zur Behandlung, dass man über MS aufgeklärt wird und mit der neuen Situation unterstützt wird. Speziell für die Verhaltensänderungen werden Fähigkeiten für die Situationen trainiert, in denen sonst eventuell Aggressionen aufgetreten sind. 

Selbstkontrolle 

Im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie bzw. Aggressionstherapie können Sie Strategien erlernen, wie Sie Ihre Selbstkontrolle und Verhaltenskontrolle verbessern können (Thomas et al. 2006). Dazu wird häufig zunächst erarbeitet, in welchen Situationen Ihnen die Selbstkontrolle schwerfällt. Im weiteren Verlauf werden dann Strategien angewendet, wie Sie mit diesen Situationen besser umgehen können. 

Stressmodulation

Eine weitere Strategie für Betroffene kann die Einführung von Routinen zum Stressabbau sein

Eine weitere Strategie für Betroffene kann die Einführung von Routinen zum Stressabbau sein. Wenn Menschen weniger gestresst sind, neigen sie seltener zu aggressivem Verhalten. Hier eignen sich unterschiedliche Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung. In einer Studie haben Personen mit MS, die autogenes Training durchgeführt haben, von mehr Energie und Vitalität berichtet. Dies half Ihnen bei physischen und emotionalen Problemen (Sutherland et al., 2005). 

Was tun als Angehörige?

Wenn jemand in Ihrem nahen Umfeld oder in der Familie an MS erkrankt ist, fragen Sie sich vielleicht: Wie soll ich damit umgehen und was kann ich machen? In diesem Abschnitt werden Ihnen Möglichkeiten im Umgang mit der neuen Situation aufgezeigt.

Informieren

Als Angehöriger ist das eigene Informieren erst einmal sehr wichtig, um das veränderte Verhalten des MS-Betroffenen besser verstehen zu können

Der erste Punkt ist simpel, aber wichtig. Informieren Sie sich über die Erkrankung MS. Wenn Sie diesen Artikel gelesen haben, dann haben Sie damit bereits begonnen. Um Ihre/n Angehörige/n bestmöglich zu verstehen, ist es wichtig, dass Sie die Erkrankung verstehen. Das bildet die Basis, um für die oder den Angehörige/n da zu sein. 

Soziale Unterstützung

Seien Sie für Ihre/n Angehörigen da. Auch hierbei handelt es sich um einen ganz wichtigen Punkt. Studien konnten zeigen, dass soziale Unterstützung für Personen, die an MS erkrankt sind, deutlich die Lebensqualität verbessert (Costa et al., 2012). Hier konnten Assoziationen zwischen sozialer Unterstützung und körperlichem Funktionsniveau und Vitalität gefunden werden. 

Bei Aggressionen

Probieren Sie in einer ruhigen Situation die erlebten Aggressionen mit dem MS-Betroffenen nachzubesprechen

Als Teil der Erkrankung kann es zu Verhaltensänderungen wie Aggressionen kommen. In akuten Situationen sorgen Sie dafür, dass Sie selbst in Sicherheit sind. Probieren Sie in einer ruhigen Situation die erlebten Aggressionen nachzubesprechen. Unterstützen Sie die betroffene Person, ärztliche oder neuropsychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. 

Fazit: Das hilft bei Ausrastern und aggressivem Verhalten bei MS

Durch die neurologischen Veränderungen im Gehirn bei MS können sich Verhaltensänderungen manifestieren, wie etwa erhöhte Aggressivität oder Reizbarkeit. Die Erkrankung ist nicht heilbar, aber es gibt Ansätze, um mit solchen Veränderungen besser umzugehen, wie neuropsychologische Beratung, Selbstkontrolle- und Stressmanagement-Techniken. Als Angehörige/r ist es wichtig, dass Sie sich über die Erkrankung informieren und die betroffene Person unterstützen.

Über die Autoren
Katrin Hoster

Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.

Ferdinand Kirchhof

Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.

Kerstin Bickert

Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.

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