Was steckt hinter dem Begriff der Aggressionshemmung? Erfahren Sie hier mehr über die Definition, Ursachen & Tipps zum Überwinden.
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Die Wut Coaches:
Dipl. Ing. Katrin Hoster
Wut Coach Merlin Faude
Dr. Med. Heidrun Schuler
Psychologe Ferdinand Kirchhof
Stellen Sie sich folgendes Beispiel aus dem Arbeitsalltag vor. An einem hektischen Arbeitstag werden mehrere Projekte gleichzeitig bearbeitet, und Sie sind stark belastet. Ein Mitarbeiter in Ihrem Team hat einen entscheidenden Fehler gemacht, der dazu führt, dass ein wichtiger Kunde unzufrieden ist und die Zusammenarbeit beenden möchte. Sie sind innerlich frustriert und verärgert, zeigen aber nach außen hin weder Anzeichen von Wut oder Unzufriedenheit, noch ein impulsives Verhalten oder cholerisches Verhalten.
Sie treffen sich mit ihrem Mitarbeiter im Besprechungsraum, um über den Vorfall zu sprechen. Während des Gesprächs bemühen Sie sich, ruhig und gelassen zu bleiben, um Ihren Mitarbeiter nicht unnötig unter Druck zu setzen. Trotz Ihrer scheinbar gefassten Haltung brodelt es in Ihnen. Sie sind frustriert, da Sie wissen, dass dieser Vorfall vermieden hätte werden können und dass Ihr Mitarbeiter sorgfältiger hätte vorgehen können. Doch Sie zögern, Ihre wahren Gefühle auszudrücken und Ihre Enttäuschung über den Fehler klar zum Ausdruck zu bringen.
Wie Sie merken, fällt es der Person in diesem Beispiel schwer, ihre Gefühle zu vermitteln. Es findet eine sogenannte Aggressionshemmung statt, anstatt auf angemessene Weise dem Mitarbeiter zum Ausdruck zu bringen, wie man sich mit der Situation fühlt.
Unter Aggressionshemmung versteht man in der Biologie und den Neurowissenschaften ein Verhalten, bei dem Aggression begrenzt wird (Hanser, 2000; Sauermost, 1999). Es tritt nicht nur beim Menschen auf, sondern auch in der Tierwelt. Zum einen gibt es eine Aggressionshemmung, die sich auf die Art und Weise bezieht, wie ein Individuum Aggression gegenüber einem anderen Individuum zeigt (Hanser, 2000; Sauermost, 1999). Über diese Form der Aggressionshemmung verfügen die meisten Menschen. Sie ist darauf zurückzuführen, dass jeder Mensch moralische Normen hat (Anderson & Bushman, 2002). Eine weitere Form ist die Aggressionshemmung mit dem Ziel, Aggression durch ein anderes Individuum gegen sich selbst zu vermeiden (Hanser, 2000; Sauermost, 1999). Es wird also mithilfe von Unterwerfung versucht, den Angriff eines anderen zu hemmen.
Entscheidend ist hier, wie eine Person ihre Aggression zeigt. Stellen Sie sich eine Person vor, die aufgrund eines bestimmten Ereignisses zu Recht wütend ist. Wenn diese Person nun ihre Gefühle kontrolliert zeigt, kann dies ihre Aggression reduzieren. Wird allerdings nach einem ärgerlichen Erlebnis die Wut unterdrückt, indem beispielsweise gar keine Wut gezeigt wird, kommt es nicht zu einer Reduktion des aggressiven Verhaltens (Roberton et al., 2015). Außerdem vermeidet die Person in diesem Moment, den Konflikt zu lösen. Wenn ständig vermieden wird, Konflikte zu lösen, kann dies zum Beispiel emotionale Erschöpfung zur Folge haben (Hershcovis et al., 2015).
Grundsätzlich ist zu beachten, dass der Forschungsstand der Psychologie zur Aggressionshemmung nicht sehr ausgeprägt ist. Zur Zeit existiert das Konzept der Aggressionshemmung vor allem in der Biologie und Neurowissenschaften (Hanser, 2000; Sauermost, 1999). Trotzdem gibt es Ursachen, die überlegt werden, weshalb einige Personen mehr zu Aggressionshemmung neigen als andere.
Als eine Ursache von Aggressionshemmung wird das Kindchenschema angenommen. Sowohl der Mensch als auch Tiere haben den angeborenen Mechanismus des Kindchenschemas, mit dem sie fürsorgliche Verhaltensweisen beim Erwachsenen hervorrufen und gleichzeitig Aggressionshemmung auslösen (Sternglanz et al., 1977). Dieser Mechanismus wird beim Menschen vor allem durch Merkmale im Gesicht ausgelöst, wie ein großer Kopf, große und tiefliegende Augen und eine gewölbte Wangenregion (Kringelbach et al., 2008). So wird vermutet, dass Personen mit hoher Aggressionshemmung diese unbewusst als Kommunikationsform nutzen, um unversehrt zu bleiben, wenn Aggression droht.
Als weitere Ursache wird selbstkritisches Denken angenommen. Es konnte sich zeigen, dass selbstkritisches Denken mit der Unterdrückung der eigenen Wut einherging (Martin & Dahlen, 2005).
Damit Aggressionshemmung nicht zu einem Problem wird, sollten Betroffene angemessene Techniken erlernen, um Enttäuschung, Besorgnis oder Verärgerung zum Ausdruck zu bringen (Del Vecchio & O’Leary, 2004). Im Folgenden werden einige Techniken vorgestellt, die Hilfe bei der Überwindung von Aggressionshemmung bieten.
Das kathartische Ausleben von Aggression (Katharsis altgriechisch für “Reinigung”), um ein emotionales Ausagieren zu ermöglichen, hat sich wissenschaftlich als ineffizient erwiesen, wobei sogar gegenteilige Effekte gefunden wurden (Bushman et al., 1999; Bushman et al., 2001; Bushman, 2002). Hier führte das symbolische Ausleben von Aggression, wie das Schlagen auf ein Kissen, zu noch mehr Aggression. Es wird angenommen, dass die kathartische Behandlung keine Fähigkeiten, wie Selbstkontrollstrategien, vermittelt (Del Vecchio & O’Leary, 2004).
Um Angemessene Techniken zu erwerben, um Enttäuschung, Besorgnis oder Verärgerung zum Ausdruck zu bringen, kann Ihnen zum Beispiel ein Wut-Coaching helfen (siehe hierzu auch mehr zum Thema Wut Therapie). Hier können Techniken erlernt werden, wie man seine Gefühle konstruktiv zum Ausdruck bringt.
Es kann hilfreich sein, vergangene Situationen zu reflektieren, in denen Sie Ihre Gefühle unterdrückt haben. Dazu können Sie eine Art Gefühlstagebuch führen. Dabei handelt es sich nicht um ein Tagebuch im klassischen Sinne, sondern um das Aufschreiben von Gefühlen und Beobachtungen in Situationen, in denen Sie Aggressionshemmung betrieben haben. Das Aufschreiben von Dingen, die einen beschäftigen, kann die emotionale Gesundheit verbessern (Glass et al., 2018).
Wenn eine Person ständig die eigene Aggression begrenzt, handelt es sich um Aggressionshemmung. Allerdings ist es wichtig, seine Gefühle auf konstruktive Art und Weise zum Ausdruck zu bringen. Um dies zu lernen, können unterschiedliche Techniken helfen, wie das Führen eines Tagebuchs. Diese und weitere Techniken können zum Beispiel mithilfe eines Wut-Coachings erlernt werden.
Anderson, C. A., & Bushman, B. J. (2002). Human aggression. Annual review of psychology, 53, 27–51. https://doi.org/10.1146/annurev.psych.53.100901.135231.
Bushman, B. J. (2002). Does Venting Anger Feed or Extinguish the Flame? Catharsis, Rumination, Distraction, Anger, and Aggressive Responding. Personality and Social Psychology Bulletin, 28(6), 724–731. https://doi.org/10.1177/0146167202289002.
Bushman, B. J., Baumeister, R. F., & Phillips, C. M. (2001). Do people aggress to improve their mood? Catharsis beliefs, affect regulation opportunity, and aggressive responding. Journal of Personality and Social Psychology, 81(1), 17–32. https://doi.org/10.1037/0022-3514.81.1.17.
Bushman, B. J., Baumeister, R. F., & Stack, A. D. (1999). Catharsis, aggression, and persuasive influence: Self-fulfilling or self-defeating prophecies? Journal of Personality and Social Psychology, 76(3), 367–376. https://doi.org/10.1037/0022-3514.76.3.367.
Del Vecchio, T., & O'Leary, K. D. (2004). Effectiveness of anger treatments for specific anger problems: A meta-analytic review. Clinical psychology review, 24(1), 15-34. https://doi.org/10.1016/j.cpr.2003.09.006.
Glass, O., Dreusicke, M., Evans, J., Bechard, E., & Wolever, R. Q. (2019). Expressive writing to improve resilience to trauma: A clinical feasibility trial. Complementary therapies in clinical practice, 34, 240-246. https://doi.org/10.1016/j.ctcp.2018.12.005.
Hansen, H. (2000). Aggressionshemmung. Spektrum. Abgerufen am 27. Juli 2023, von: https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/aggressionshemmung/227.
Hershcovis, M. S., Cameron, A. F., Gervais, L., & Bozeman, J. (2018). The effects of confrontation and avoidance coping in response to workplace incivility. Journal of occupational health psychology, 23(2), 163. DOI: 10.1037/ocp0000078.
Kringelbach, M. L., Lehtonen, A., Squire, S., Harvey, A. G., Craske, M. G., Holliday, I. E., Green, A. L., Aziz, T. Z., Hansen, P. C., Cornelissen, P. L., & Stein, A. (2008). A specific and rapid neural signature for parental instinct. PloS one, 3(2), e1664. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0001664.
Martin, R. C., & Dahlen, E. R. (2005). Cognitive emotion regulation in the prediction of depression, anxiety, stress, and anger. Personality and individual differences, 39(7), 1249-1260. https://doi.org/10.1016/j.paid.2005.06.004.
Roberton, T., Daffern, M., & Bucks, R. S. (2015). Beyond anger control: Difficulty attending to emotions also predicts aggression in offenders. Psychology of Violence, 5(1), 74–83. https://doi.org/10.1037/a0037214.
Sauermost, R. (1999). Aggressionshemmung. Spektrum. Abgerufen am 27. Juli 2023, von: https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/aggressionshemmung/1486.
Sternglanz, S. H., Gray, J. L., & Murakami, M. (1977). Adult preferences for infantile facial features: An ethological approach. Animal Behaviour, 25, 108-115. https://doi.org/10.1016/0003-3472(77)90072-0.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.