Wutausbrüche bei ADHS sind keine Seltenheit. Hier erfährt man, was dahintersteckt und wie man mit ihnen umgehen kann.
Die Wut Coaches:
Coaches, Trainer,
Psychologen, Ärzte,
Therapeuten & Pädagogen.
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Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in Ihrem Job an einem bestimmten Projekt. Es fällt Ihnen wahnsinnig schwer, bei der Sache zu bleiben. Eine Impulsivität begleitet Sie. Das kennen Sie schon aus Ihrer Kindheit. Ihnen kommt ein Gedanke in den Kopf geschossen und schon verlieren Sie den Faden. Häufig verlieren Sie sich dabei auch in Details, die gar nicht so relevant sind. Dann verlieren Sie schnell den Überblick. Stets begleitet Sie dabei eine innere Unruhe. Sie sind ständig überaktiv, gehen im Raum herum und es fällt Ihnen schwer, länger stillzusitzen. So könnte der Arbeitsalltag bei einer erwachsenen Person aussehen, wenn sie an ADHS erkrankt ist. Nun fragen Sie sich aber sicher, wann es bei ADHS zu Wutausbrüchen kommt?
Wichtig ist zu sagen, dass ADHS nicht zwangsläufig mit Wutausbrüchen einhergehen muss. Allerdings kann es sein, dass ADHS und Aggressionen komorbid vorliegen. Komorbiditäten sind Krankheiten, die begleitend auftreten. Hier gibt es mehrere psychische Störungen, die mit Wutausbrüchen einhergehen können. Dazu gehören zum Beispiel die Borderline-Persönlichkeitsstörung, Antisoziale Persönlichkeitsstörung, Depressionen, Trauma-Folge-Störungen, bipolare Störung und Impulskontrollstörungen. Und eben auch ADHS, also der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung.
In diesem Artikel wollen wir uns anschauen, was bei ADHS und Wutausbrüchen besonders ist. Außerdem schauen wir uns die Ursachen hierfür an. Zuletzt wollen wir auch einen Blick auf Möglichkeiten im Umgang als Betroffene/r oder Angehörige/r werfen.
Wie bereits erwähnt, können bei ADHS Wutausbrüche komorbid auftreten (Jaworska et al., 2013). Nun wollen wir uns anschauen, ob es Besonderheiten bei Wutausbrüchen im Zusammenhang mit ADHS gibt. In einer Studie wurden neuropsychologische Faktoren bei Erwachsenen mit ADHS und Wutausbrüchen untersucht. Hier konnte bei Personen mit ADHS ein signifikanter Zusammenhang zwischen Wutausbrüchen und der Aufmerksamkeitsverschiebung sowie Angst festgestellt werden (McDonagh et al., 2018). Die Aufmerksamkeitsverschiebung können Sie sich wie eine Taschenlampe im Dunkeln vorstellen. Auf einen Reiz (also den Lichtkegel) wird volle Aufmerksamkeit gelenkt, während auf umliegenden Reizen die Aufmerksamkeit gehemmt wird. Bei Personen mit ADHS kommt es häufiger zu Wutausbrüchen, wenn die Aufmerksamkeitsverschiebung weniger gelingt. Sie können sich das so vorstellen, als wenn der Lichtkegel die ganze Zeit im Kreis springt. Dies führt zu einer hohen kognitiven Anstrengung bei den Betroffenen und kann bei Überlastung zu einem Tobsuchtsanfall führen.
Personen mit ADHS erleben Emotionen intensiver. Gleichzeitig fällt es ihnen schwer, bestimmte Reize in der Wahrnehmung abzuschwächen. Dies beeinträchtigt dann auch Fähigkeiten zur emotionalen Selbstregulation (Walter et al., 2023). Es können also auch internale Gefühle schwerer abgeschwächt werden. Nun kann es zu einem Reiz von außen kommt, durch den starke Wut auftritt. Wenn diese Wut nicht gut abgeschwächt werden kann und sich möglicherweise noch verstärkt, kann es zu Wutausbrüchen kommen.
Gerade bei ADHS kann es auch zu Wutausbrüchen wegen Kleinigkeiten kommen. Ein Grund dafür könnte neben der oben genannten Reizüberflutung auch ein dysfunktionaler Umgang mit den eigenen Emotionen sein. So tendieren Personen mit ADHS dazu, zur Emotionsregulation sich selbst abzuwerten, katastrophisieren, andere abzuwerten oder zu grübeln (Rüfenacht et al., 2019). Es kommt dadurch seltener zu Neubewertungen von Situationen. Dies löst starken emotionalen Stress aus. Dies führt zu einem Teufelskreis, der in einem Wutausbruch enden kann (Soler-Gutiérrez et al., 2023).
Auch bei ADHS kann die Wut für ein unbefriedigtes Bedürfnis stehen. Hier ist vor allem das subjektive Gefühl des Betroffenen entscheidend. So kann die Wut aus dem Bedürfnis nach Kontrolle (Alia-Klein et al., 2020), Verständnis und Ruhe entstehen. Gleichzeitig bestehen Schwierigkeiten, aufkommende Impulse zu kontrollieren. Das kann zu Frustration führen, gerade wenn andere die Person missverstehen oder ein Überforderungsgefühl auftritt. Wut kann in dem Fall auch ein Ausdruck von Stress sein. Diesen Stress zu bewältigen, fällt der Person dann schwer.
Wenn Sie ADHS haben und es ständig zu Wutanfällen kommt, sollten Sie eine multimodale Behandlung mit einer Medikation in Erwägung ziehen. Hierfür ist natürlich wichtig, dass zunächst gesichert ist, dass es sich um eine ADHS handelt und die Wutanfälle nicht infolge einer anderen Erkrankung auftreten. Zur genauen Diagnosestellung können Sie eine Spezialambulanz bei psychologischen Psychotherapeut:innen oder Psychiater:innen aufsuchen. Neben einer pharmakologischen Behandlung empfiehlt die Leitlinie auch die Behandlung mit Psychotherapie. So hat sich zum Beispiel kognitive Verhaltenstherapie als wirksam erwiesen (AWMF, 2017). Es können hier Strategien erarbeitet werden, um einen besseren Umgang mit den eigenen Emotionen zu erlangen.
Starke Impulsivität und Veränderungen der Stimmung bei ADHS-Betroffenen können auch für Angehörige herausfordernd sein. Gerade in akuten Situationen mit Wutanfällen kann es dazu kommen, dass sich das Umfeld hilflos und verängstigt fühlt. Wichtigster Punkt hier ist, dass Sie in akuten Situation für Ihre eigene Sicherheit sorgen und sich Unterstützung holen. Wenn Sie durch Wutanfälle gefährdet sind, rufen Sie die Polizei zur Hilfe.
Die Problematik von ADHS und Wutanfällen sollten Sie als Angehöriger nicht in einem hitzigen Moment eines Wutanfalls besprechen. Informieren Sie sich über die Erkrankung ADHS. In einer ruhigen Situation können Sie in Ich-Botschaften mitteilen, wie es Ihnen mit der Situation geht. Häufig ist es hilfreich, die betroffene Person zu unterstützen, dass sie eine professionelle Behandlung bekommt. Hierzu können Beratungsstellen und Spezialambulanzen aufgesucht werden.
Der Umgang mit heftigen Wutausbrüchen einer Person in Ihrem Umfeld kann auch Angehörige belasten. Es kann zu Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen kommen. Auch als Angehörige ist es ratsam, sich professionelle Unterstützung zu suchen.
Wutausbrüche bei Erwachsenen mit ADHS können vorkommen, sind jedoch nicht unvermeidlich. Sie entstehen oft durch eine Kombination aus Reizüberflutung, Schwierigkeiten bei der Emotionsregulation und Impulsivität. Menschen mit ADHS erleben Emotionen intensiver und haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit zu steuern, was zu kognitiver Überlastung und Frustration führen kann. Diese Wut kann auch aus einem unbefriedigten Bedürfnis nach Kontrolle, Verständnis oder Ruhe resultieren. Um mit Wutausbrüchen umzugehen, wird eine multimodale Behandlung, einschließlich medikamentöser, Therapie und kognitiver Verhaltenstherapie, empfohlen. Angehörige sollten sich gut über ADHS informieren und in akuten Situationen für ihre Sicherheit sorgen.
Alia-Klein, N., Gan, G., Gilam, G., Bezek, J., Bruno, A., Denson, T. F., ... & Verona, E. (2020). The feeling of anger: From brain networks to linguistic expressions. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 108, 480-497. https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2019.12.002.
AMWF. (2017). Langfassung der interdisziplinären evidenz- und konsensbasierten (S3) Leitlinie “Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes, Jugend- und Erwachsenenalter”. Abgerufen am 4.12.2024 von https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/028-045.
Jaworska, N., Berrigan, L., Ahmed, A. G., Gray, J., Korovessis, A., Fisher, D. J., ... & Knott, V. J. (2013). The resting electrophysiological profile in adults with ADHD and comorbid dysfunctional anger: a pilot study. Clinical EEG and neuroscience, 44(2), 95-104.https://doi.org/10.1177/1550059412465607.
McDonagh, T., Travers, Á., & Bramham, J. (2018). Do Neuropsychological Deficits Predict Anger Dysregulation in Adults with ADHD? International Journal of Forensic Mental Health, 18(3), 200–211. https://doi.org/10.1080/14999013.2018.1508095.
Rüfenacht, E., Euler, S., Prada, P., Nicastro, R., Dieben, K., Hasler, R., ... & Weibel, S. (2019). Emotion dysregulation in adults suffering from attention deficit hyperactivity disorder (ADHD), a comparison with borderline personality disorder (BPD). Borderline personality disorder and emotion dysregulation, 6, 1-10. https://doi.org/10.1186/s40479-019-0108-1.
Soler-Gutiérrez, A. M., Pérez-González, J. C., & Mayas, J. (2023). Evidence of emotion dysregulation as a core symptom of adult ADHD: A systematic review. Plos one, 18(1), https://doi.org/10.1371/journal.pone.0280131.
Walter, A., Martz, E., Weibel, S., & Weiner, L. (2023). Tackling emotional processing in adults with attention deficit hyperactivity disorder and attention deficit hyperactivity disorder + autism spectrum disorder using emotional and action verbal fluency tasks. Frontiers in psychiatry, 14, 1098210. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2023.1098210.
Katrin Hoster ist zertifizierte NLPlerin, Headcoach und einer der beiden Gründer der Wut Coaches. Als erfahrener Coach im Bereich Aggressionsbewältigung hat sie sich seit 2018 voll und ganz auf das Thema Wut und Aggression spezialisiert und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit mehreren 1000 Wut- und Aggressionsklienten zurück blicken.
Ferdinand Kirchhof ist Psychologe (M.Sc.). Er arbeitet bei den Wut Coaches als psychologischer und wissenschaftlicher Berater und seine Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Er ist der Co-Autor dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Autorin.
Kerstin Bickert ist Psychologin (B.Sc.) und Sozialpädagogin (B.A.). Sie arbeitet bei den Wut Coaches als psychologische und wissenschaftliche Beraterin und ihre Expertise fließt sowohl in unser Coaching als auch in unsere Veröffentlichungen. Sie ist die Autorin dieses Artikels, zusammen mit Katrin Hoster als Co-Autorin.